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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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und lief auf mein Zimmer. Ich begriff nicht, warum ich auf einmal einen solchen Schreck bekommen hatte; aber dieses Erschrecken selbst machte mich ängstlich. Nach einer Viertelstunde wurde ich gerufen, und es wurde mir ein Brief des Fürsten eingehändigt. Im Salon traf ich einen mir unbekannten Herrn, der mit Pjotr Alexandrowitsch aus Moskau gekommen war, und aus einigen Worten, die ich auffing, erfuhr ich, daß er längere Zeit bei uns wohnen werde. Er war ein Bevollmächtigter des Fürsten und nach Petersburg gekommen, um gewisse wichtige Angelegenheiten der fürstlichen Familie zu betreiben, die sich bereits lange in Pjotr Alexandrowitschs Händen befanden. Er überreichte mir den Brief des Fürsten und fügte hinzu, die Prinzessin habe ebenfalls an mich schreiben wollen; sie habe bis zum letzten Augenblicke versichert, der Brief werde ganz bestimmt fertig werden, habe ihn aber doch mit leeren Händen gehen lassen und ihn gebeten, mir zu bestellen, es sei ihr absolut unmöglich an mich zu schreiben; sie habe nichts mitzuteilen, was sich in einem Briefe schreiben ließe, und habe ganze fünf Briefbogen verdorben und dann in Stücke gerissen; wir müßten erst wieder von neuem Freundschaft schließen, um aneinander schreiben zu können. Dann habe sie ihm noch aufgetragen, mir zu sagen, daß wir uns bald wiedersehen würden. Auf meine ungeduldige Frage antwortete der unbekannte Herr, die Mitteilung über ein baldiges Wiedersehen sei in der Tat richtig; die ganze Familie treffe Anstalten, sehr bald wieder nach Petersburg zu kommen. Bei dieser Nachricht wußte ich nicht, wo ich mich vor Freude lassen sollte; ich ging so bald wie möglich auf mein Zimmer, schloß mich ein und öffnete mit strömenden Tränen den Brief des Fürsten. Der Fürst stellte mir ein baldiges Wiedersehen mit ihm und Katja in Aussicht, beglückwünschte mich mit tiefer Empfindung zu meinem Talente, sprach mir seine Segenswünsche für meine Zukunft aus und verhieß, für mich zu sorgen. Ich weinte, als ich den Brief las. Aber zu meinen Freudentränen gesellte sich ein so unerträglicher Gram, daß ich, wie ich mich erinnere, über mich selbst erschrak; ich wußte selbst nicht, was mit mir vorging.
    Es vergingen einige Tage. In dem Zimmer neben dem meinigen, wo früher Pjotr Alexandrowitschs Sekretär seinen Platz gehabt hatte, arbeitete jetzt jeden Vormittag und häufig auch abends bis Mitternacht der neue Ankömmling. Oft schlossen sie sich in Pjotr Alexandrowitschs Arbeitszimmer ein und arbeiteten zusammen. Eines Tages nach dem Mittagessen ersuchte mich Alexandra Michailowna, in das Arbeitszimmer ihres Mannes zu gehen und ihn zu fragen, ob er den Tee mit uns zusammen trinken werde. Da ich niemand im Arbeitszimmer fand und annahm, daß Pjotr Alexandrowitsch bald zurückkehren werde, so blieb ich da, um ihn zu erwarten. An der Wand hing sein Porträt. Ich erinnere mich, daß ich beim Anblicke desselben plötzlich zusammenfuhr und in einer mir selbst unverständlichen Aufregung es aufmerksam zu betrachten begann. Es hing ziemlich hoch; zudem war es dort ziemlich dunkel; so rückte ich denn, um es bequemer beschauen zu können, einen Stuhl heran und stieg hinauf. Ich wollte etwas erforschen, wie wenn ich dort die Lösung meiner Zweifel zu finden hoffte, und ich erinnere mich, daß mir vor allem die Augen des Porträts auffielen. Es fiel mir auch auf, daß ich fast nie die Augen dieses Mannes gesehen hatte; er verbarg sie immer hinter seiner Brille.
    Schon als ich noch ein Kind war, hatte ich seinen Blick infolge einer seltsamen, unverständlichen vorgefaßten Meinung nicht leiden mögen; aber diese vorgefaßte Meinung schien jetzt ihre Bestätigung zu finden. Meine Einbildungskraft war angeregt. Es kam mir plötzlich so vor, als ob die Augen des Porträts sich in Verwirrung von meinem forschenden, prüfenden Blicke abwandten und ihn zu vermeiden suchten, und als ob Lug und Trug in diesen Augen lägen; es kam mir so vor, als ob ich etwas erraten hätte, und ich begreife nicht recht, wie diese meine Entdeckung in meinem Herzen eine geheime Freude hervorrufen konnte. Ein leichter Aufschrei entfloh meiner Brust. In diesem Augenblicke hörte ich hinter mir ein Geräusch. Ich blickte mich um: Pjotr Alexandrowitsch stand vor mir und sah mich aufmerksam an. Es schien mir, als sei er auf einmal rot geworden. Ich selbst errötete tief und sprang von Stuhle herunter.
    „Was machen Sie hier?“ fragte er in strengem Tone. „Warum sind Sie hier?“
    Ich

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