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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Stein- und der Apothekerinsel oder der Peterhofer Landstraße zeichnen sich durch anerzogene gute Manieren, elegante Sommerkleidung und schöne Equipagen aus, in denen sie in die Stadt hineinfahren. Die Bewohner von Pargolowo und der dahinterliegenden Gebiete imponieren gleich beim ersten Blick durch ihr solides und kluges Aussehen; die Sommergäste der Krestowskij-Insel fallen durch ihre unerschütterlich gute Stimmung auf. Wenn ich einer langen Prozession mit Bergen von Möbelstücken aller Art, Tischen, Stühlen, türkischen und nichttürkischen Diwans und sonstigen Einrichtungsgegenständen beladener Fuhrwerke begegnete, auf deren Gipfel oft auch noch eine schwächliche Köchin, das Gut ihrer Herrschaft wie ihren Augapfel bewachend, thronte, während die Fuhrleute, mit den Zügeln in der Hand, träge neben den Wagen einherschritten; oder wenn ich mit schwerem Hausrat beladene Kähne die Newa oder die Fontanka in der Richtung zum Schwarzen Bach oder zu den Inseln hinabgleiten sah, so verzehnfachten sich die Fuhrwerke und die Kähne in meinen Augen; es schien mir, daß alles sich aufmachte und in ganzen Karawanen aufs Land übersiedelte; es schien mir, daß ganz Petersburg sich in eine Wüste zu verwandeln drohte. Schließlich fühlte ich mich beschämt, beleidigt und traurig, weil ich nicht wußte, wohin und wozu ich aufs Land ziehen sollte. Ich wäre bereit, mit jedem Möbelwagen mitzulaufen, mich jedem Herrn, der eine Droschke mietete, anzuschließen; doch niemand, wirklich niemand forderte mich dazu auf; es war, als ob sie mich vergessen hätten, als ob ich ihnen wirklich ganz fremd wäre!
    Ich irrte so viel und so lange umher, bis ich, wie es mir oft passierte, vergaß, wo ich mich befand; und plötzlich war ich bei der Stadtgrenze angelangt. Augenblicklich wurde es mir lustig zumute; ich passierte den Schlagbaum, schritt zwischen bestellten Äckern und Wiesen vorwärts, spürte keine Müdigkeit und fühlte mit meinem ganzen Wesen, wie eine schwere Last mir vom Herzen fiel. Alle Leute, die vorüberfuhren, warfen mir freundliche Blicke zu und waren nahe daran, mich zu grüßen; und alle ohne Ausnahme rauchten Zigarren. Und ich war so lustig, wie noch nie. Es war mir, als ob ich plötzlich nach Italien geraten wäre: einen solchen Eindruck machte auf mich, den halbkranken Stadtbewohner, der in den Stadtmauern beinahe erstickt war, die Natur.
    Es liegt etwas unbeschreiblich Rührendes in unserer Petersburger Natur, wenn sie bei Frühlingsbeginn ihre ganze Macht und alle ihr vom Himmel verliehenen Kräfte offenbart, sich putzt und mit Laub und Blüten schmückt ... Ich muß jedesmal an das kranke, schwindsüchtige Mädchen denken, das Sie mit Bedauern und auch mit einer eigentümlichen mitleidigen Liebe anblicken und zuweilen überhaupt nicht bemerken, und das plötzlich, für nur einen Augenblick ganz unerwartet in unbeschreiblicher Schönheit erstrahlt, während Sie sich erstaunt und berauscht fragen: Welche Kraft hat in diesen traurigen, nachdenklichen Augen solches Feuer entzündet? Was hat ihr das Blut in die blassen, eingefallenen Wangen getrieben? Was hat die zarten Gesichtszüge mit Leidenschaft übergossen? Warum wogt diese Brust? Was hat im Gesicht des armen Mädchens Kraft, Leben und Schönheit geweckt und es mit diesem Lächeln belebt? Woher kommt dieses sprudelnde, zündende Lachen? Sie schauen sich um, Sie suchen, Sie raten ... Doch der Augenblick ist schon vorbei, und Sie sehen vielleicht schon morgen den nachdenklichen, zerstreuten Blick von vorhin, dasselbe bleiche Antlitz, die gleiche Ergebenheit und Schüchternheit der Bewegungen und sogar etwas wie lähmenden Unmut und Reue ob des flüchtigen Aufschwunges von vorhin ... Und es tut Ihnen leid, daß die plötzliche Schönheit so schnell, so unwiederbringlich verwelkt ist, daß sie so trügerisch und vergebens vor Ihrem Blick gestrahlt hat; es tut Ihnen leid, weil Sie nicht einmal Zeit gehabt, sich in sie zu verlieben ...
    Und doch war meine Nacht noch schöner als der Tag! Und das kam so: Ich kehrte sehr spät in die Stadt zurück, und als ich mich meiner Wohnung näherte, schlug es schon zehn Uhr. Ich ging den Kanal entlang, wo man um diese Stunde gewöhnlich keinem Menschen begegnet. Ich wohne allerdings in einem entlegenen Stadtteile. Ich ging und sang, denn wenn ich mich glücklich fühle, summe ich immer irgend etwas vor mich hin, wie es auch jeder glückliche Mensch tut, der weder Freunde, noch gute Bekannte, noch sonst jemanden hat, mit

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