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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Das ist also unser Ausgangspunkt. Es ist ja alles sehr schön, doch hören Sie weiter. Als Sie vorhin hier saßen und weinten, dachte ich mir (lassen Sie mich nur sagen, was ich dachte!) dachte ich, daß Sie ... (ich weiß, daß es nicht stimmt, Nastenka!) ich dachte, daß Sie ... daß Sie irgendwie, nun, auf irgendeine Weise, daß Sie ihn nicht mehr lieben. Und wenn das wirklich so wäre, – ich dachte es mir schon gestern und auch vorgestern, – so hätte ich es sicher erreicht, daß Sie mich liebgewinnen würden: Sie haben es ja gesagt, Sie selbst haben es hier gesagt, daß Sie mich schon liebgewonnen hätten. Und weiter? Das ist beinahe alles, was ich sagen wollte; es bleibt nur noch zu sagen, was geschehen würde, wenn Sie mich nun wirklich liebgewönnen; nur das bliebe noch zu sagen, und nichts mehr! Hören Sie also, meine Freundin, denn Sie sind mir noch immer eine Freundin: ich bin ein einfacher, armer und unbedeutender Mensch, das tut übrigens nichts zur Sache! (ich sage immer etwas anderes, als ich sagen will; ich bin wohl zu aufgeregt); jedenfalls würde ich Sie so lieben, Nastenka, so lieben, daß, wenn Sie auch den, den ich nicht kenne, weiter liebten, meine Liebe Ihnen doch nicht zur Last fallen würde. Sie würden nur fortwährend wissen und fühlen, daß in Ihrer Nähe ein dankbares und warmes Herz pocht, das für Sie ... Ach Nastenka, Nastenka! Was haben Sie aus mir gemacht!«
    »Weinen Sie nicht, ich will nicht, daß Sie weinen,« sagte Nastenka und erhob sich schnell von der Bank. »Kommen Sie, stehen Sie auf und kommen Sie mit mir ... Doch weinen Sie nicht, weinen Sie nicht!« Sie wischte mir mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augen. »Kommen Sie! Vielleicht werde ich Ihnen etwas sagen können ... Wenn er mich auch wirklich verlassen hat, wenn er mich vergessen hat, und wenn ich ihn auch noch immer liebe (ich will Sie ja nicht betrügen!) ... aber hören Sie mich an und antworten Sie mir! Wenn ich Sie liebgewonnen hätte, das heißt, ich setze nur den Fall ... Ach, mein lieber Freund! Wenn ich nur daran denke, wie ich Sie verletzt und mit Ihrer Liebe Spott getrieben habe, als ich Sie dafür lobte, daß Sie sich in mich nicht verliebt hätten ... Mein Gott! Wie habe ich das nicht vorausgesehen, wie konnte ich das nicht bemerken, wie dumm war ich; doch ... Nun habe ich mich entschlossen! Ich will Ihnen alles sagen ...«
    »Hören Sie, Nastenka, wissen Sie was? Ich will von Ihnen fortgehen. Ich quäle Sie ja nur. Nun haben Sie gar Gewissensbisse und werfen sich vor, daß Sie mit mir Spott getrieben hätten; ich will aber nicht, ich will einfach nicht, daß Sie außer Ihrem Kummer ... Natürlich bin ich schuld, Nastenka ... Doch leben Sie wohl!«
    »Hören Sie nur: können Sie warten?«
    »Worauf warten?«
    »Ich liebe ihn noch. Doch das wird vergehen, das muß vergehen, es kann nicht noch länger währen; es vergeht schon, ich fühle es. Wer kann wissen, vielleicht wird es noch heute ganz aufhören, denn ich hasse ihn, weil er mich verhöhnt hat, während Sie hier mit mir weinten; denn Sie würden mich nicht so verstoßen haben, wie er; denn Sie lieben mich, und er hat mich niemals geliebt; denn ... auch ich liebe Sie ... Ja, ich liebe Sie! Ich liebe Sie so, wie Sie mich lieben: ich habe es Ihnen ja auch früher gesagt, und Sie haben es gehört: ich liebe Sie, weil Sie besser sind als er, weil Sie edler sind, weil er ...«
    Die Arme war so erregt, daß sie nicht weiter sprechen konnte. Sie lehnte ihr Köpfchen an meine Schulter, dann an meine Brust und begann bitterlich zu weinen. Ich versuchte sie zu trösten, zu beruhigen, doch sie konnte nicht mehr aufhören. Sie drückte mir fortwährend die Hand und stammelte unter Tränen: »Warten Sie, warten Sie, ich höre gleich auf! Ich will Ihnen noch etwas sagen. Glauben Sie nur nicht, daß diese Tränen ... Es ist nur ein Anfall von Schwäche, warten Sie, es geht gleich vorüber ...« Endlich hörte sie auf, wischte sich die Tränen aus den Augen, und wir gingen weiter. Ich wollte mit ihr sprechen, doch sie bat mich immerwährend, noch etwas zu warten. Wir schwiegen beide ... Endlich nahm sie sich zusammen und begann mit schwacher, bebender Stimme, aus der aber plötzlich etwas Neues klang, was sich tief in mein Herz bohrte und darin ein unsagbar schmerzhaftes und zugleich süßes Gefühl weckte:
    »Glauben Sie nur nicht, daß ich unbeständig und leichtsinnig bin; glauben Sie nicht, daß ich so leicht und schnell etwas vergesse und untreu

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