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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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...«
    »Nastenka!« schrie ich auf, denn ich konnte meine Erregung nicht mehr bemeistern. »Nastenka! Sie martern mich ja! Sie verwunden mein Herz, Sie morden mich! Nastenka, ich kann nicht länger schweigen! Ich muß endlich sprechen und alles sagen, was sich aus meinem Herzen drängt!«
    Bei diesen Worten erhob ich mich von der Bank.
    Sie ergriff wieder meine Hand und blickte mich erstaunt an.
    »Was ist mit Ihnen?« fragte sie endlich.
    »Hören Sie!« sagte ich sehr entschieden. »Hören Sie, Nastenka! Was ich Ihnen sagen werde, ist unsinnig, unmöglich, töricht! Ich weiß, daß es ganz unmöglich ist, und doch kann ich nicht schweigen. Bei allen Leiden, die Sie jetzt tragen, beschwöre ich Sie, es mir zu verzeihen!«
    »Aber was denn? Was?« fragte sie einigemal. Sie weinte nicht mehr und starrte mich mit seltsamer Neugierde an. »Was haben Sie?«
    »Es ist unmöglich, doch ich liebe Sie, Nastenka! Das ist alles, was ich sagen wollte! Nun ist es heraus!« Ich winkte mit der Hand wie einer, der gar keine Hoffnung mehr hat. »Urteilen Sie jetzt selbst, ob Sie mit mir so sprechen dürfen, wie Sie eben sprachen, und ob Sie das anhören können, was ich Ihnen gleich sagen werde ...«
    »Was denn? Was?« unterbrach sie mich. »Was ist denn dabei? Ich wußte ja schon längst, daß Sie mich lieben, ich glaubte aber immer, daß Sie mich nur so, einfach so ... liebten ... Ach mein Gott, mein Gott!«
    »Anfangs liebte ich Sie auch einfach so, Nastenka; doch jetzt, jetzt ... Ich stehe vor Ihnen ebenso da, wie Sie vor ihm dastanden, als Sie zu ihm mit Ihrem Bündel kamen. Und meine Lage ist noch schlimmer, denn er liebte doch damals niemanden, und Sie lieben ihn.«
    »Was sagen Sie da? Nun verstehe ich Sie gar nicht mehr! Aber hören Sie, wozu, ich will sagen warum, fangen Sie jetzt damit an? Und so plötzlich ... Mein Gott! Ich spreche ja Unsinn! Doch Sie ...«
    Nastenka wurde auf einmal ganz verwirrt. Ihre Wangen glühten, und sie schlug die Augen nieder.
    »Was soll ich denn tun, Nastenka, was soll ich tun? Ich bin schuld, ich habe Ihr Vertrauen mißbraucht ... Doch nein, nein! Ich bin nicht schuld, Nastenka; ich fühle es, und mein Herz sagt es mir, daß ich schuldlos bin, weil ich Sie doch nicht verletzen oder kränken will! Ich bin Ihr Freund gewesen; ich bin es auch jetzt; ich bin nicht untreu geworden. Nun kommen mir die Tränen, Nastenka. Sollen sie nur fließen, sie stören ja niemanden, sie werden trocknen, Nastenka ...«
    »Setzen Sie sich doch, setzen Sie sich! Ach mein Gott!«
    »Nein, Nastenka! Ich werde mich nicht setzen: ich kann nicht sitzen; ich kann auch nicht mehr wiederkommen, Sie werden mich nicht mehr sehen: ich will Ihnen alles sagen und dann fortgehen. Ich will Ihnen sagen, daß Sie niemals etwas davon erfahren sollten, daß ich Sie liebe. Ich hätte mein Geheimnis in meinem Herzen bewahrt. Ich hätte nicht angefangen, Sie jetzt, in einem solchen Augenblick mit meinen egoistischen Ergüssen zu quälen. Nein, das hätte ich nicht getan! Doch ich konnte es nicht länger aushalten; und Sie haben selbst die Rede darauf gebracht, Sie sind schuld, Sie sind an allem schuld, und nicht ich! Sie können mich nicht so von sich jagen ...«
    »Aber nein, nein, ich jage Sie ja gar nicht fort!« sagte Nastenka. Die Arme gab sich die größte Mühe, ihre Verwirrung zu verbergen.
    »Sie jagen mich nicht weg? Nein? Und ich war eben selbst im Begriff, von Ihnen fortzulaufen. Ich werde auch wirklich fortgehen; zuvor will ich aber doch alles sagen, was ich auf dem Herzen habe; denn als Sie hier sprachen, und ich nicht ruhig auf meinem Platz sitzen konnte, als Sie weinten und sich quälten, weil ... (ich will es nun aussprechen, Nastenka!) weil man Sie verstoßen und Ihre Liebe zurückgewiesen hat, da fühlte ich, da merkte ich, daß mein Herz voller Liebe zu Ihnen ist! Und das Bewußtsein, Ihnen mit dieser Liebe nicht helfen zu können, brannte mir so auf dem Herzen, daß ich nicht schweigen konnte und sprechen mußte. Ich mußte sprechen, Nastenka! ...«
    »Ja, ja! Fahren Sie nur fort, sprechen Sie nur so zu mir!« sagte Nastenka in unerklärlicher, heftiger Bewegung. »Es kommt ihnen wohl sonderbar vor, daß ich Ihnen das sage? Ich bitte Sie aber: sprechen Sie weiter! Ich werde es später erklären, werde alles sagen! ...«
    »Sie haben Mitleid mit mir, Nastenka! Einfach Mitleid, liebe Freundin! Was verloren ist, ist verloren! Was gesagt ist, läßt sich nicht aus der Welt schaffen! Nicht wahr? Nun wissen Sie alles.

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