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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Betrug von unten, so daß selbst das Volk dies manchmal merkte und begriff. Natürlich kann man Amtmann und Schelm und »Brigadier« sein und zugleich höchst naiv und rührend überzeugt, eben dieser Kavalier de Rohan sei wirklich das »subtilste Superflue«. Aber das störte ja nicht im geringsten: Die Gwosdiloffs prügelten wie ehedem, unsere de Rohans wurden von unserem Potjomkin und von jedem seinesgleichen womöglich ebenso im Pferdestall gedroschen, unsere Kavaliere nahmen, was sie nehmen konnten von Lebendigen und von Toten, und von den Fäusten mit Manschetten und den Füßen in seidenen Strümpfen wurden dieselben Genickstöße und Fußtritte verabreicht wie ehedem; bei Hofe aber bogen sich unsere Marquis', »mutig mit dem Nacken opfernd«. Kurz, dieses ganze bestellte und befohlene Europa lebte sich damals erstaunlich bequem bei uns ein, angefangen mit Petersburg – dieser phantastischsten Stadt mit der phantastischsten Geschichte aller Städte des Erdballs.
    Nun, jetzt aber ist es schon was anderes und Petersburg hat gesiegt. Jetzt sind wir bereits ganze Europäer, sind herangewachsen. Jetzt versucht selbst ein Gwosdiloff sich anzupassen, wenn's zum Prügeln kommt, sucht den Anstand zu wahren, wird zum französischen Bourgeois, und warten wir noch ein Weilchen, dann wird er gar wie ein Nordamerikaner aus den Südstaaten mit Bibeltexten die Notwendigkeit des Handels mit Negern zu verteidigen anfangen. Nebenbei: diese Art der Verteidigung greift von dort ans neuerdings stark auch nach Europa hinüber. Nun, wenn ich erst dort sein werde, kann ich mich ja selbst von allem überzeugen, dachte ich bei mir. Aus Büchern ist das doch nie zu erfahren, was man mit eigenen Augen sieht. Übrigens – da ich gerade auf Gwosdiloff zu sprechen gekommen bin: warum hat Vonwisin einen der bemerkenswertesten Sätze in seinem »Brigadier« gerade nicht der Ssofja, der Vertreterin der vornehmen und humaneuropäischen Entwicklung in den Mund gelegt, sondern der dummen Brigadierin? – wo es gilt, die Wahrheit zu sagen, da wird diese also doch nicht von Ssofja ausgesprochen, sondern von dieser Frau, die er, abgesehen von ihrer Dummheit, auch noch als böses Frauenzimmer gezeichnet hat. Es ist geradezu, als habe er sich nicht getraut oder gar es für künstlerisch unmöglich gehalten, daß ein solcher Ausspruch der gleichsam in der Orangerie erwachsenen, so wohlerzogenen Ssofja entschlüpfen könnte, und er hat es doch irgendwie natürlicher gefunden, daß ein einfaches, dummes Weib ihn ausspricht! Diese Stelle, die es wert ist, behalten zu werden, ist um so bemerkenswerter, als sie ohne jede Absicht und ohne alle Hintergedanken, ganz naiv und vielleicht sogar ganz unbedacht geschrieben worden ist. Die Gattin des Brigadiers erzählt der Ssofja:
    »... In unserem Regiment war ein Hauptmann, Gwosdiloff mit Namen. Derselbe hatte so eine schmucke junge Frau. Wenn es nun vorkam, daß er sich ärgerte, aber meist geschah es wohl in der Betrunkenheit, da begann er sie denn, wirst du's mir glauben, so zu prügeln, was nur die Seele hergab, und das alles für nichts und wieder nichts. Na, uns ging das ja nichts an, aber manchmal hätte man doch weinen mögen, wenn man sie so sah.
    Ssofja : Ich bitte Euch, hört auf, davon zu erzählen, was die Menschheit empört.
    Die Brigadierin : Ja, sieh mal, du willst davon nicht einmal hören , wie aber muß das für die Hauptmannsfrau zu erdulden gewesen sein?«
    Damit wird die wohlerzogene Ssofja mit ihrer ganzen Orangerie-Empfindsamkeit von einer gewöhnlichen, ungebildeten Frau einfach matt gesetzt. Es ist das eine ganz erstaunliche Antwort bei einem Vonwisin, und man kann nur sagen, daß von ihm nichts Treffenderes geschrieben worden ist, auch nichts Menschlicheres und ... Unbeabsichtigteres!
    Ja, wie viele solcher Orangerie-Progressisten gibt es bei uns noch heute und selbst unter unseren wichtigsten Führern, Orangerie-Progressisten, die mit dieser ihrer Treibhaushaftigkeit sogar außerordentlich zufrieden sind und gar nichts anderes verlangen. Noch das Merkwürdigste bei alledem ist zweifellos, daß Gwosdiloff seine Frau nach wie vor prügelt, und zwar jetzt fast mit noch größerem Genuß als früher. Es ist wirklich so. Man sagt, früher sei es mehr aus Liebe geschehen! – wie man ja auch zu sagen pflegt »wen ich liebe, den schlage ich«. Sogar die Frauen, heißt es, hätten sich beunruhigt gefühlt, wenn sie nicht geschlagen wurden: er schlägt nicht, folglich liebt er nicht. Aber das

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