Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
großen Verlust...«
»Um Abschied von ihm zu nehmen,« plagte es mich wieder, ihm ins Wort zu fallen, aber ich fühlte sogleich, daß es häßlich von mir war; ich schämte mich sogar.
»Mßjö, mßjö!« sagte der Alte, sah mir mit traurigem Vorwurf in die Augen und schüttelte langsam sein greises Haupt. »Mßjö! Ich weiß, ich bin überzeugt, daß Sie alles das wissen, vielleicht besser wissen als ich. Aber Sie haben doch selber die Führung mir überlassen; also erlauben Sie, daß ich jetzt rede. Es ist auch nicht mehr viel zu sagen ... Da kam der Kaiser, aufs tiefste erschüttert und schmerzlich beklagend den großen Verlust, den er, die Armee und ganz Frankreich erlitten, an das Sterbelager des Marschalls und linderte durch diesen letzten Abschied die grausamen Qualen des vor seinen Augen hinscheidenden Heerführers. – C'est fini, monsieur ,« fügte er mit einem vorwurfsvollen Blick auf mich hinzu und ging weiter.
»Und hier sind dann noch ein paar Särge: das sind so ... quelques sénateurs ,« bemerkte er gleichmütig, mit einer nachlässigen Kopfbewegung auf die übrigen Sarkophage deutend, die in der Nähe standen. Seine
Achtes Kapitel: Bribri und Mabisch
Und nun die Epousen. Die Epousen führen ein glückseliges Leben, wie gesagt. Übrigens: Sie werden mich gewiß fragen wollen, weshalb ich anstatt »Frauen« hier immer »Epousen« sage? Aus Gründen des Stils, meine Herrschaften, nur aus Gründen des Stils. Der Bourgeois pflegt nämlich, wenn er sich vornehm ausdrücken will, stets » mon épouse « zu sagen. Und wenn auch die anderen Klassen, ganz wie überall in der Welt, einfach » ma femme « – meine Frau – sagen, so erscheint es mir doch richtiger, dem nationalen Geist der Mehrheit und der höheren Ausdrucksform zu folgen. Es ist charakteristischer. Im übrigen aber gibt es auch noch andere Benennungen. Zum Beispiel, wenn der Bourgeois gefühlvoll wird oder seine Frau betrügen will, so nennt er sie stets » ma biche «. Und die liebende Frau wiederum nennt in Augenblicken graziöser Tändelei ihren lieben Bourgeois: » bribri « – womit der Bourgeois seinerseits sehr zufrieden ist. Bribri und Mabisch stehen zwar immer in Blüte, gerade jetzt aber blühen sie üppiger denn je. Ganz abgesehen davon, was nun einmal nach allseitiger (und nahezu stillschweigender) Übereinkunft festgestellt ist, nämlich: daß Mabisch und Bribri in unserer vielgestaltigen Zeit das Musterbeispiel der Tugend, Eintracht und des paradiesischen Zustandes der gegenwärtigen Gesellschaft sind, letzteres besonders zur Widerlegung aller schändlichen Faseleien der unsinnigen Kommunistenvagabunden, – also ganz abgesehen davon, und überdies wird Bribri jetzt noch mit jedem Jahre nachgiebiger in Fragen des Ehestandes. Er begreift bereits, daß, mag man auch noch so viel reden oder noch so viele Vorkehrungen treffen, Mabisch doch nicht zu halten ist, daß die Pariserin nun einmal für den Liebhaber geschaffen ward, daß es für einen Ehemann eben ganz unmöglich ist, der Kopfzier zu entgehen, und so schweigt er denn wohlweislich, allerdings nur so lange wie er erst wenig Geld erspart hat und noch nicht viele Sachen und Sächelchen besitzt. Sobald aber sein Besitzstand sich in der einen wie in der anderen Richtung abzurunden beginnt, wird Bribri sogleich bedeutend anspruchsvoller, sintemal er sich dann selber ungemein zu achten anfängt. Nun und dann beginnt er auch den Gustave anders zu beurteilen, namentlich wenn dieser zum Überfluß noch irgendso ein armer Schlucker ist, der nichts weniger als viele Sachen und Sächelchen besitzt, überhaupt wird ein Pariser, der heiraten will und selber Geld hat, sei es auch noch so wenig, unbedingt eine Braut mit Geld heiraten. Ja, die Mitgift ist für ihn sogar unbedingt die erste Frage und nur wenn es sich herausstellt, daß die Franken und Sachen auf beiden Seiten in gleicher Zahl vorhanden sind, dann erst, aber auch nur dann wird geheiratet. Das pflegt zwar überall vorzukommen, hier aber ist es schon zu einem Gesetz von der Gleichheit der Geldbeutel, ist es zu allgemein anerkannter Sitte geworden. Hat z. B. die Braut nur ein wenig mehr Geld, so wird sie dem Bewerber, der weniger hat, nicht mehr gegeben, sondern es wird für sie ein besserer Bribri gesucht. Liebesheiraten werden immer unmöglicher und gelten fast schon für unanständig. Diese vernünftige Sitte der unbedingten Gleichheit der Geldbeutel oder der Verheiratung des einen Kapitals mit dem anderen Kapital
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