Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
wird nur äußerst selten nicht befolgt, ja, ich glaube, in Frankreich viel, viel seltener als gleichviel wo in der übrigen Welt. Und das Verfügungsrecht über das Vermögen der Frau hat der Bourgeois ganz vortrefflich zu seinen Gunsten festzusetzen verstanden. Das ist denn auch der Grund, weshalb er in vielen Fällen sich dazu versteht, bei Abenteuern seiner Bisch ein Auge zuzudrücken, durch die Finger zu sehen und manche ärgerlichen Dinge nicht zu bemerken, da bei einem Zerwürfnis die Frage der Auszahlung ihrer Mitgift doch recht unangenehm wäre. So kommt es denn, daß, wenn Mabisch sich manchmal eleganter kleidet, als ihre Mittel es gestatteten, Bribri sich innerlich damit zufrieden gibt, selbst wenn er alles bemerkt hat: verlangt sie doch in dem Falle von ihm weniger Toilettengeld. Auch ist Mabisch dann bedeutend verträglicher. Und schließlich, da die Ehe doch größtenteils nur eine Verbindung seines und ihres Geldes ist und man sich um die gegenseitige Zuneigung recht wenig kümmert, so ist auch Bribri nicht abgeneigt, trotz seiner Bisch sich nach anderen Seiten hin umzusehen. Und somit tut man am besten, wenn man sich gegenseitig nicht stört. So gibt es auch mehr Eintracht im Hause und das zärtliche Geflüster der lieblichen Namen Bribri und Mabisch kommt dann zwischen den Gatten viel häufiger vor. Und schließlich, wenn man schon alles sagen soll: auch in dieser Richtung hat Bribri wunderbar für sich vorgesorgt. Der Polizeikommissar steht jeden Augenblick zu seiner Verfügung. So bestimmen es die Gesetze, die er selbst für sich zurecht gemacht hat. Im äußersten Fall, d. h. wenn er die Liebenden en flagrant délit ertappt, kann er sie beide sogar totschlagen, ohne sich dadurch auch nur der geringsten Strafe auszusetzen. Mabisch weiß das und ist damit durchaus einverstanden. Durch lange Vormundschaft hat man Mabisch soweit gebracht, daß sie nicht einmal murrt oder unzufrieden ist, geschweige denn davon träumt, wie es in manchen barbarischen und komischen Ländern geschieht, z. B. irgend etwas zu lernen, an Hochschulen zu studieren, an Sitzungen teilzunehmen, einem Klub anzugehören und in Ausschüssen zu sitzen, oder gar Abgeordnete zu werden. Nein, Mabisch zieht es vor, in ihrem gegenwärtigen lustigen und sozusagen kanarienvogelmäßigen Stande zu verbleiben. Sie wird geputzt, sie wird behandschuht, sie wird auf die Promenade geführt und spazieren gefahren, sie tanzt, sie nascht Zuckerwerk, äußerlich wird sie wie eine Königin empfangen und äußerlich liegen die Männer vor ihr einfach im Staube. Die Form dieses Verhältnisses ist bewundernswert geschickt und anstandsgemäß durchgebildet. Mit einem Wort, die ritterlichen Formen werden gewahrt, also was will man mehr? Gustave wird ihr ja nicht genommen! Irgendwelche sittlichen, höheren Lebensziele usw. usw. braucht sie nicht: im Grunde ist sie genau so eine Kapitalistenseele und genau so geldgierig wie ihr Mann. Wenn die Kanarienvogeljahre vorüber sind, d. h wenn sie sich schon auf gar keine Weise noch irgend etwas vortäuschen, wenn sie sich also wirklich nicht mehr für einen Kanarienvogel halten kann und wenn der Gedanke an einen neuen Gustave selbst bei üppigster Einbildungskraft und höchster Eigenliebe schon völlig aussichtslos wird, – dann pflegt Mabisch sich plötzlich, in kürzester Zeit und ganz greulich zu verwandeln. Koketterie, Putzsucht, Munterkeit verschwinden spurlos. Sie wird meistenteils so böse! wird zu einer solchen Wirtschafterin! Sie geht in die Kirchen, spart mit dem Manne Geld und ein eigentümlicher Zynismus schaut auf einmal von allen Seiten hervor: plötzlich stellen sich eine gewisse Müdigkeit, Verdrossenheit, rohe Instinkte ein, hinzu kommt eine Zwecklosigkeit des Daseins, kommen zynische Reden. Sogar in ihrer Kleidung werden manche von ihnen nachlässig und schlampig. Selbstverständlich ist das nicht immer und bei allen der Fall, es gibt natürlich auch andere, leichtere Erscheinungen, o, und selbstredend gibt es auch anderswo, gibt es überall ebensolche gesellschaftlichen Verhältnisse, aber ... aber bei den Franzosen ist das alles bodenständiger, ist es gewissermaßen das Original selber, ist ursprünglicher, ausgeprägter, kurz, alles das ist in Frankreich nationaler. Hier ist die Quelle, ist der Keim jener bourgeoisen gesellschaftlichen Form, die jetzt in der ganzen Welt herrscht – in Gestalt ewiger Nachahmung der großen Nation.
Ja, äußerlich ist Mabisch – eine Königin. Es ist schwer,
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