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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Menschen Dostojewski betrachtet, berücksichtigen, daß er als Künstler ein unwiderstehliches Bedürfnis hatte, die gefährlichsten und verruchtesten Abgründe des menschlichen Herzens zu erforschen; besonders aber die Abgründe der Wollust in allen ihren Äußerungen. Zwischen der erhabensten, vergeistigten, an religiöse Verzückungen grenzenden Wollust des »Engels« Aljoscha Karamasow und der Wollust des bösen Insekts, »des Spinnenweibchens, das ihr eigenes Männchen verzehrt«, liegt die ganze Skala, liegen alle Abstufungen und Schattierungen dieser geheimnisvollsten aller menschlichen Leidenschaften in ihren krassesten und krankhaftesten Perversionen.
    Es existiert das Manuskript eines ungedruckten Kapitels aus den »Dämonen« mit der Beichte Stawrogins, in der er unter anderm von der Schändung eines kleinen Mädchens erzählt. Diese Beichte ist eine der stärksten Schöpfungen Dostojewskis, und sie klingt so erschreckend aufrichtig, daß man diejenigen, die dieses Kapitel selbst nach dem Tode Dostojewskis nicht veröffentlichen lassen wollen, wohl verstehen kann: hier liegt etwas, was »die Grenzen« der Kunst überschreitet: es ist zu lebenswahr . Doch im Verbrechen Stawrogins, selbst da, wo es am niedrigsten ist, kann man noch immer einen gleichsam unverlöschlichen dämonischen Abglanz dessen, was Schönheit war, die Majestät des Bösen erkennen. Dostojewski schreckt aber auch vor der Schilderung der alltäglichsten und gemeinsten Unzucht nicht zurück.
    In allen diesen Schilderungen Dostojewskis liegt eine solche Kraft und Kühnheit, eine solche Fülle neuer Entdeckungen und Offenbarungen, daß sich im Leser oft die beängstigende Frage regt: konnte er denn dies alles nur durch objektive Beobachtungen an anderen Menschen erfahren? Ist es denn ein bloß künstlerisches Interesse? Selbstverständlich brauchte er nicht eigenhändig die Alte zu ermorden, um Raskolnikows Gefühle kennen zu lernen. Selbstverständlich müssen wir hier vieles auf Rechnung der hellseherischen Kraft des Genies setzen; vieles, ob aber auch alles ? Wenn wir auch annehmen, daß es in den Handlungen und im Leben Dostojewskis nichts gegeben hat, was dieser verbrecherischen, jedenfalls »die Grenzen überschreitenden« Neugierde des Künstlers entsprochen hätte, so werden wir uns doch fragen, wieso in seiner Vorstellung derartige Bilder überhaupt auftauchen konnten. Denn die Phantasie Tolstois, die ja oft in nicht weniger tiefe, wenn auch andere Abgründe der Wollust hinabgestiegen ist, war solcher Vorstellungen nie fähig.
    Doch ich wiederhole, daß der Erforscher der Persönlichkeit Dostojewskis hier im Dunkeln tappt. Es gibt keine klaren und zuverlässigen Zeugnisse, auf die man sich stützen könnte. Es gibt nichts als Andeutungen, von denen ich eine bereits angeführt habe: nachdem Dostojewski, der damals fünfundzwanzig Jahre alt war, seinem Bruder von seinem Interesse für verschiedene »Minnchen, Klärchen, Mariannchen usw.« und davon, wie ihn Turgenjew und Bjelinski »wegen seines unordentlichen Lebenswandels ausgeschimpft haben«, berichtet hat, schreibt er ihm (in einem andern Brief): »Ich bin nervenkrank und befürchte ein Nervenfieber. Ich bin so liederlich, daß ich gar nicht mehr ordentlich leben kann ...«
    Hier noch eine Andeutung, die zwar ein anderes Gebiet berührt, doch ebenfalls einen Maßstab für die Extreme gibt, in die Dostojewski nicht nur in seiner Phantasie, sondern auch in Wirklichkeit zu verfallen fähig war.
    »Mein lieber Apollon Nikolajewitsch,« schreibt er an Maikow aus dem Auslande im Jahre 1867, »ich fühle, daß ich Sie als meinen Richter betrachten darf. Sie haben Herz und Gemüt ... Es fällt mir nicht schwer. Ihnen meine Sünden zu beichten. Was ich Ihnen heute schreibe, ist nur für Sie allein bestimmt. Überliefern Sie mich nicht dem Gericht der Menge. – Als ich durch die Gegend von Baden-Baden reiste, beschloß ich, einen Abstecher dorthin zu machen. Mich peinigte ein verführerischer Gedanke: zehn Louisdor zu riskieren und vielleicht zweitausend Franken zu gewinnen ... Das Gemeine ist, daß ich schon früher einige Mal gewonnen hatte. Am schlimmsten ist aber, daß ich einen schlechten und übertrieben leidenschaftlichen Charakter habe ... Der Teufel trieb gleich am Anfang mit mir seinen Scherz: in drei Tagen gewann ich ungewöhnlich leicht viertausend Franken ... Die Hauptsache war das Spiel selbst. Wissen Sie, wie es einen hereinzieht! Nein, ich schwöre Ihnen, es war nicht die

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