Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Lufthauch weh täte«, dem vielleicht die Freiheit des Künstlers nicht weniger heilig ist als dem Grafen Tolstoi, schämt sich trotzdem nicht, »des Geldes wegen zu schaffen« und für seine Arbeit wie ein gewöhnlicher Tagelöhner Lohn zu empfangen. Er nennt sich selbst einen »Postgaul«. Er schreibt, um zum Termin fertig zu werden, dreiundeinhalb Druckbogen in zwei Tagen und zwei Nächten. Und er gesteht mit einer Offenheit, die Tolstoi als der Gipfel marktschreierischer Schamlosigkeit der von ihm so sehr verachteten »Literatur« erscheinen mußte: »In meinem Schriftstellerleben ist es mir oft vorgekommen, daß der Anfang eines Romankapitels oder einer Erzählung sich in der Druckerei oder Setzerei befand, während das Ende noch in meinem Kopfe saß, doch unbedingt über Nacht geschrieben werden mußte.« – »Die Arbeit aus Not, des Geldes wegen hat mich erdrückt und aufgefressen.« – »Werden denn meine Leiden je ein Ende nehmen? Ach, wenn ich Geld hätte und versorgt wäre!« – das ist der ewige Schmerz, der nie verstummende Schrei seines Lebens. Manchmal verflucht er die Not, wenn er im Kampfe mit ihr erschöpft ist; doch er schämt sich ihrer nie.
Besonders schwer waren für ihn die vier Jahre von 1865 bis 1869, die vielleicht den vier Jahren Zuchthaus die Wage halten. Das Schicksal war ihm, genau so wie vor seinem ersten Unglück, zunächst günstig. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift »Wremja« (– »Zeit«) hatte Erfolg und warf so viel ab, daß er bereits hoffte, sich von seiner Not einigermaßen erholen zu können, als ihn plötzlich eine unerwartete und unverdiente Zensurstrafe ereilte. Wegen eines harmlosen und mißverstandenen Aufsatzes über die Polenfrage wurde seine Zeitschrift verboten. Es war ein Mißverständnis ähnlicher Art wie bei der Untersuchung der Petraschewski-Affäre. Diese beiden Mißverständnisse, die ihn zuerst durch das Todesurteil und die Zuchthausstrafe, und später durch einen vollständigen Ruin beinahe vernichtet hätten, sind jedenfalls bemerkenswert.
Um dieselbe Zeit starben, einer nach dem andern, sein Bruder Michail Michailowitsch, sein bester Freund und Mitarbeiter an der »Wremja«, der Kritiker Apollon Grigorjew und seine erste Frau Maria Dmitrijewna Dostojewskaja.
»Und so war ich plötzlich ganz allein auf der Welt zurückgeblieben,« schreibt er an den Baron Wrangel, »und es wurde mir schrecklich zumute. Mein Leben war mitten entzweigebrochen ... Ich hatte wirklich nichts, wofür ich noch leben sollte. Sollte ich neue Verbindungen anknüpfen, mir ein neues Leben aufbauen? Selbst der Gedanke daran war mir widerlich ... Mein Bruder hatte seine Familie ganz mittellos zurückgelassen, und sie hätte betteln gehen können. Ich war ihre einzige Hoffnung, und sie alle, die Witwe und die Kinder, umstanden mich und erwarteten von mir Rettung. Meinen Bruder hatte ich unendlich geliebt; konnte ich denn die Seinigen verlassen? Wenn ich das Erscheinen der »Epoche« (eine Zeitschrift, die an Stelle der verbotenen »Wremja« getreten war) fortsetzen wollte, hätte ich sie und mich ernähren können; selbstverständlich nur, wenn ich mein Leben lang vom frühen Morgen bis spät in die Nacht gearbeitet hätte ... Außerdem mußte ich die Schulden meines Bruders bezahlen, denn ich wollte nicht, daß sein Andenken irgendwie beschmutzt wäre ... Ich ließ (die letzten Hefte der »Epoche«) zugleich in drei Druckereien drucken und schonte weder Geld, noch Gesundheit und Kräfte. Ich war der einzige Redakteur, las alle Korrekturen, plagte mich mit den Autoren und der Zensur, arbeitete fremde Aufsätze um, war in ewiger Suche nach Geld, blieb bis sechs Uhr morgens auf und schlief kaum fünf Stunden täglich; und als ich endlich in die Zeitschrift Ordnung gebracht hatte, war es schon zu spät.« Die Zeitschrift ging auch endgültig ein.
Korrekturbogen mit eigenhändiger Unterschrift Dostojewskis
Nun blieb ihm nur eines von zweien übrig: Schuldgefängnis oder Flucht. Er wählte die letztere und floh ins Ausland.
Hier lebte er vier Jahre in unbeschreiblicher Not.
Einen gewissen Begriff von der äußersten, beinahe unglaublichen Not – er war damals schon der Autor von »Raskolnikow« und der große russische Schriftsteller (feinfühligere Kritiker hätten in ihm bereits den weltberühmten Dostojewski sehen können) – geben uns seine Briefe an Apollon Maikow aus Dresden vom Jahre 1869.
»Im letzten halben Jahre,« schreibt Dostojewski, »habe ich mit meiner Frau
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