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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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wenn nicht, so bin ich verloren.« – »Alle zehn Tage habe ich einen Anfall und dann bin ich immer fünf Tage wie bewußtlos. Ich bin ein verlorener Mensch!«
    »Und doch habe ich immer den Eindruck, als ob ich erst jetzt mein Leben beginne,« gesteht er in einem seiner verzweifelten Briefe. »Es ist komisch, nicht wahr? Es ist die Zähigkeit einer Katze!« – »Ich habe ihn in seinen schwersten Augenblicken gesehen,« erzählte Strachow, »so nach der Sistierung der Zeitschrift, nach dem Tode seines Bruders und in verzweifelten Geldkalamitäten; nie ließ er aber den Mut sinken, und ich kann mir überhaupt keine Umstände denken, die ihn hätten erdrücken können. Besonders erstaunlich war es bei seiner großen Sensibilität, bei der er sich fast nie beherrschen, konnte, sich vielmehr ganz seiner Aufregung hingab. Es war als ob das eine dem andern nicht nur nicht hinderlich, sondern geradezu förderlich wäre.« »Ich habe eine schier unerschöpfliche Lebenskraft in mir!« sagt Dostojewski selbst in einem seiner Jugendbriefe, und am Vorabend seines Todes hätte er dasselbe mit den Worten Dmitri Karamasows wiederholen können: »Ich werde alles überwinden, alle Leiden, wenn ich mir nur jeden Augenblick wiederholen kann: Ich bin! Unter tausend Qualen – Ich bin! Ich winde mich unter der Folter, doch ich bin! Ich sitze im Turm, doch ich bin und sehe die Sonne; und wenn ich die Sonne nicht sehe, so weiß ich, daß sie ist. Und wissen, daß die Sonne ist, heißt leben.«
    Und gerade in diesen vier Jahren schreibt er, durch den Tod des Freundes, des Bruders und der Gattin erschüttert, von Gläubigern bedrängt, von der Regierung und von den Feinden der Regierung verfolgt, von den Lesern unverstanden, in Einsamkeit, Armut und Krankheit in rascher Reihenfolge seine bedeutendsten Werke: im Jahre 1866 »Raskolnikow«; 1868 den »Idiot«; 1870 schreibt er »Die Dämonen« und faßt den Plan zu den »Brüdern Karamasow«. Ich will noch mehr sagen: nach all dem, was er geschrieben hat, wie gewaltig es auch ist, kann man sich unmöglich vorstellen, was er hatte schaffen wollen und unter andern Verhältnissen auch hätte schaffen können. »Selbstverständlich,« sagt Strachow, der mit der inneren Geschichte seines Schaffens vertraut war, »hat er wohl nur den zehnten Teil aller Romane, die in seinem Geiste völlig ausgereift waren und die er oft viele Jahre lang in sich herumgetragen hatte, niedergeschrieben; einzelne erzählte er uns sehr ausführlich und mit großer Begeisterung; doch die Zahl solcher Themen, die er auszuarbeiten keine Zeit fand, war wohl unendlich.«
    Tolstoi, der die ganze russische Literatur mit einem Irrenhaus verglichen hatte, blieb dieser Ansicht sein Leben lang treu. Sein Leben lang suchte er seine Rechtfertigung und seine Heiligkeit in der Lossagung von der Kultur und Gesellschaft, in der Flucht zum einfachen Volk, in der Abtötung des Fleisches und in körperlicher Arbeit, in allem, nur nicht darin, wozu er von Gott berufen schien. Dostojewski hat aber durch sein ganzes Leben gezeigt, daß ebenso wie in alten Zeiten Könige, Gesetzgeber, Krieger, Propheten und Märtyrer Helden sein konnten, in der heutigen Kultur einer der letzten Helden – der Held des Wortes, der Schriftsteller ist.
    Wenn man das Leben Tolstois mit dem Dostojewskis vergleicht, kann man leicht in Irrtümer und Ungerechtigkeiten verfallen: von dem ersteren wissen wir alles, während wir von dem letzteren nicht nur nicht alles, sondern möglicherweise höchst wichtige Dinge nicht wissen; denn nach verschiedenen Andeutungen in seinen Briefen, nach mündlichen Überlieferungen und ganz besonders nach dem, was von seiner Persönlichkeit in seinem Werke enthalten ist, dürfen wir vermuten, daß es in ihr ein ganzes Gebiet gibt, welches uns verborgen ist. Man muß es den nächsten Freunden Dostojewskis, die sich die Mühe gegeben haben, uns seine Lebensbeschreibung zu überliefern, lassen, daß sie immer taktvoll und pietätvoll, vielleicht sogar übertrieben pietätvoll gegen das Andenken des Verstorbenen waren; jedenfalls waren sie aber gar nicht fähig, das, was die Apokalypse »satanische Tiefen« nennt und was Dostojewskis Natur so sehr verwandt war, zu verstehen. Selbst ein so feiner und scharf denkender Kopf wie Strachow hat die Persönlichkeit Dostojewskis, ich will nicht sagen, idealisiert, doch sehr vereinfacht, gemildert, abgestumpft, geglättet und auf das allgemeine Mittelmaß gebracht.
    Jedenfalls muß man, wenn man den

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