Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
mancherlei, worauf man früher selbst gar nicht verfallen ist. Das findet man nun hier, wenn man solch ein Büchlein zu lesen anfängt, und da fällt einem denn nach und nach vieles ein, und allmählich begreift man so manches und wird sich über die Dinge klar. Und dann, sehen Sie, warum ich Ihr Büchlein noch lieb gewonnen habe: manches Werk, was für eines esauch immer sein mag, das liest man und liest – aber lies meinetwegen, bis dein Schädel platzt, bloß das Verstehen, daran fehlt's leider! Es ist eben so vertrackt geschrieben und mit soviel Klugheit, daß man es nicht recht begreifen kann. Ich zum Beispiel, – ich bin dumm, ich bin von Natur stumpf, bin schon so geboren, also kann ich auch keine allzu hohen Werke lesen. Dies aber – ja dies liest man und es ist einem fast, als hätte man es selber geschrieben, ganz als stamme es aus dem eigenen Herzen … Ja, und so mag es auch sein: das Herz, das ist einfach festgenommen und vor allen Menschen umgekehrt, das Inwendige nach außen, und dann ausführlich beschrieben – sehen Sie, so ist es! Und dabei ist es doch so einfach, mein Gott! Ja was! Ich könnte das ja gleichfalls schreiben, wirklich, warum denn nicht? Fühle ich doch ganz dasselbe und genau so, wie es in diesem Büchelchen steht! Habe ich mich doch auch mitunter in ganz derselben Lage befunden, wie beispielsweise dieser Ssamsson Wyrin, dieser Arme! Und wie viele solcher Ssamsson Wyrins gibt es nicht unter uns, ganz genau so arme, herzensgute Menschen! Und wie richtig alles beschrieben ist! Mir kamen fast die Tränen, mein Kind, während ich das las: wie er sich bis zur Bewußtlosigkeit betrank, als das Unglück ihn heimgesucht hatte, und wie er dann den ganzen Tag unter seinem Schafspelz schlief und das Leid mit einem Pünschchen vertreiben wollte und doch herzbrechend weinen mußte, wobei er sich mit dem schmierigen Pelzaufschlag die Tränen von den Wangen wischte, wenn er an sein verirrtes Lämmlein dachte, an sein liebes Töchterchen Dunjäscha!
Nein, das ist naturgetreu! Lesen Sie es mal, dann werden Sie sehen: das ist so wahr wie das Leben selbst. Das lebt! Ich habe es selbst erfahren, – das lebt alles, lebt überall rings um mich herum! Da finden wir gleich die Theresa – wozu so weit suchen! – da ist auch unser armer Beamter, – denn der ist doch vielleicht ganz genau so ein Ssamsson Wyrin, nur daß er einen anderen Namen hat und eben zufällig Gorschkoff heißt. Das ist etwas, was ein jeder von uns erleben kann, ich ebenso gut wie Sie, mein Kind. Und selbst der Graf, der am Newskij oder am Newakai wohnt, selbst der kann dasselbe erleben, nur daß er sich äußerlich anders verhalten wird – denn dort bei ihm ist nun einmal äußerlich alles anders, aber auch ihm kann es ebenso gut widerfahren, wie mir.
Da sehen Sie, mein Kind, was das heißt, Leben. Sie aber wollen noch wegreisen und uns im Stich lassen! Sie wissen ja gar nicht, was Sie mir damit antun würden, Warinka! Sie würden doch nur sich und mich damit zugrunde richten. Ach, mein Sternchen, so treiben Sie doch um Gottes willen diese wilden Gedanken aus Ihrem Köpfchen und ängstigen Sie mich nicht unnütz! Und wie überhaupt – sagen Sie doch selbst, Sie mein kleines, schwaches Vögelchen, das noch nicht einmal flügge geworden ist –: wie könnten Sie sich denn selbst ernähren, sich vor dem Verderben bewahren und gegen jeden ersten besten Bösewicht verteidigen! Nein, lassen Sie es jetzt gut und genug sein, Warinka, und bessern Sie sich! Hören Sie nicht auf die dummen Ratschläge der anderen und lesenSie Ihr Büchlein noch einmal durch: das wird Ihnen Nutzen bringen.
Ich habe auch mit Ratasäjeff über den »Stationsaufseher« gesprochen. Der sagte, das sei alles altes Zeug und jetzt erschienen nur Bücher mit Bildern und solche mit Beschreibungen – oder was er da sagte, ich habe es nicht ganz begriffen, wie er es eigentlich meinte. Er schloß aber doch damit, daß Puschkin gut sei und daß er das heilige Rußland besungen habe, und noch verschiedenes andere sagte er mir über ihn. Ja, es ist gut, Warinka, sehr gut: lesen Sie es noch einmal aufmerksam, folgen Sie meinem Rat und machen Sie mich alten Knaben durch Ihren Gehorsam glücklich. Gott der Herr wird Sie dafür belohnen, meine Gute, wird Sie bestimmt belohnen!
Ihr treuer Freund
Makar Djewuschkin.
Mein lieber Makar Alexejewitsch!
Fedora hat mir heute die fünfzehn Rubel für den Teppich gebracht. Wie froh sie war, die Arme, als ich ihr drei Rubel
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