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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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es vielleicht ohne Anteil gelesen, Warinka, vielleicht waren Sie gerade nicht bei Laune, als Sie lasen, vielleicht hatten Sie sich geradeüber Fedora wegen irgend etwas geärgert, oder es ist vielleicht sonst irgendwie ein Unglückstag für Sie gewesen.
    Nein, Sie müssen das einmal mit Gefühl lesen und aufmerksam, wenn Sie froh und zufrieden und bei guter Laune sind, zum Beispiel wenn Sie gerade ein Konfektchen im Munde haben – dann lesen Sie es noch einmal. Ich will ja nicht sagen (wer hat denn das behauptet?), daß es nicht noch bessere Schriftsteller gibt, als Ratasäjeff, ganz gewiß, es gibt bessere, aber deshalb braucht doch Ratasäjeff noch lange nicht schlecht zu sein: sie sind eben alle gut; er schreibt gut und die anderen schreiben meinetwegen auch gut. Außerdem schreibt er, vergessen wir das nicht, nur für sich – tut es, sagen wir, bloß so in seinen Mußestunden – und das merkt man ihm dann an, daß er es tut, und zwar zu seinem Vorteil!
    Nun leben Sie wohl, mein Kind, schreiben werde ich heute nicht mehr: ich habe da noch etwas abzuschreiben und muß mich beeilen. Also sehen Sie zu, mein Liebling, mein Herzchen, daß Sie sich beruhigen. Möge Gott der Herr Sie behüten, ich aber bin und bleibe
    Ihr treuer Freund
    Makar Djewuschkin.
    P. S. Danke für das Buch, meine Gute, also lesen wir Puschkin. Heute aber komme ich gegen Abend ganz bestimmt zu Ihnen.
     
    Mein teurer Makar Alexejewitsch!
    Nein, mein Freund, nein, es geht nicht, daß ich noch länger hier lebe. Ich habe nachgedacht und eingesehen,daß es sehr falsch von mir ist, eine so vorteilhafte Stelle von der Hand zu weisen. Dort werde ich mir doch wenigstens mein sicheres Stück Brot verdienen. Ich werde mir Mühe geben, ich werde versuchen, mir die Neigung der fremden Menschen zu erwerben, und, wenn es nötig sein sollte, auch meinen Charakter zu ändern. Es ist natürlich schwer und bitter, bei fremden Menschen zu leben, sich ihnen in allem anzupassen, sich selbst zu verleugnen und von ihnen abhängig zu sein, aber Gott wird mir sicher helfen. Man kann doch nicht sein Leben lang menschenfern bleiben! Und ich habe ja auch früher schon Aehnliches erlebt. Zum Beispiel als ich noch in der Pension war. Den ganzen Sonntag spielte ich und sprang munter wie ein echter Wildfang umher, und wenn Mama bisweilen auch schalt – was tat das, ich war doch froh, und im Herzen war es so hell und warm. Kam aber dann der Abend, da fühlte ich mich wieder über alle Maßen unglücklich: um neun Uhr hieß es – nach der Pension zurückkehren! Dort war alles fremd, kalt, streng, die Lehrerinnen waren Montags immer so mürrisch, und ich fühlte mich so bedrückt, so elend, daß die Tränen sich nicht mehr zurückdrängen ließen. Da schlich ich denn leise in einen Winkel und weinte vor lauter Einsamkeit und Verlassenheit. Natürlich hieß es dann, ich sei faul und wolle nicht lernen. Und doch war das gar nicht der Grund, weshalb ich weinte.
    Dann aber – womit endete es? Ich gewöhnte mich schließlich an alles, und als ich die Pension verlassen mußte, weinte ich gar beim Abschied von den Freundinnen.
    Nein, es ist nicht gut, daß ich Ihnen und Fedora hier zur Last bin. Der Gedanke ist mir eine Qual. Ich sage Ihnen alles ganz offen, weil ich gewohnt bin, Ihnen nichts zu verhehlen. Sehe ich denn nicht, wie Fedora jeden Morgen schon in aller Frühe aufsteht und sich ans Waschen macht, und dann bis in die späte Nacht hinein arbeitet? – Alte Knochen aber bedürfen der Ruhe. Und sehe ich denn nicht, wie Sie alles für mich opfern, wie Sie sich selbst das Notwendigste versagen, um Ihr ganzes Geld nur für mich auszugeben? Ich weiß doch, daß das über Ihre Verhältnisse geht, mein Freund. Sie schreiben mir, daß Sie eher das Letzte verkaufen würden, als daß Sie mich Not leiden ließen. Ich glaube es Ihnen, mein Freund, ich weiß, daß Sie ein gutes Herz haben, – doch das sagen Sie jetzt nur so. Jetzt haben Sie zufällig überflüssiges Geld, haben ganz unerwartet eine Gratifikation erhalten. Aber dann? Sie wissen doch – ich bin immer krank. Ich kann nicht so arbeiten, wie Sie, obschon ich froh wäre, wenn ich's könnte, und überdies habe ich auch nicht immer Arbeit. Was soll ich tun? Mich grämen und quälen, indem ich Sie und Fedora für mich sorgen lasse und selbst müßig zusehen muß? Wie könnte ich Ihnen jemals auch nur das Geringste entgelten, wie Ihnen auch nur im geringsten nützlich sein? Inwiefern bin ich Ihnen denn so unentbehrlich, mein

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