Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
gab! Ich schreibe Ihnen in größter Eile. Ich habe soeben die Weste für Sie zugeschnitten, – der Stoff ist entzückend – gelb, mit Blümchen.
Ich sende Ihnen ein Buch: es sind darin verschiedene Geschichten, von denen ich einige schon gelesen habe. Lesen Sie unbedingt die mit dem Titel »Der Mantel«.
Sie reden mir zu, mit Ihnen ins Theater zu gehen.Wird es aber nicht zu teuer sein? Vielleicht auf die Galerie, das ginge noch. Ich bin schon lange nicht mehr im Theater gewesen, wann zuletzt? Ich fürchte immer nur eines: wird uns der Spaß nicht zu viel kosten? Fedora schüttelt den Kopf und meint, daß Sie anfangen, über Ihre Verhältnisse zu leben. Das sehe auch ich ein. Wieviel haben Sie nicht allein schon für mich ausgegeben! Nehmen Sie sich in acht, mein Freund, daß es kein Unglück gibt. Fedora hat mir da etwas gesagt: daß Sie, wenn ich nicht irre, mit Ihrer Wirtin in Streit geraten seien, weil Sie irgend etwas nicht bezahlt hätten. Ich sorge mich sehr um Sie.
Nun, leben Sie wohl. Ich habe eine kleine Arbeit: ich garniere nämlich meinen Hut mit Band.
P. S. Wissen Sie, wenn wir ins Theater gehen, werde ich meinen neuen Hut aufsetzen und die schwarze Mantille umnehmen. Werde ich Ihnen so gefallen?
7. Juli.
Meine liebe Warwara Alexejewna!
Ich komme wieder auf unser gestriges Gespräch zurück. – Ja, mein Kind, auch wir haben seinerzeit dumme Streiche gemacht! So hatte ich mich einstmals wirklich und wahrhaftig in eine Schauspielerin verliebt, sterblich verliebt, jawohl! Und das wäre noch nichts gewesen, das Wunderliche aber war dabei, daß ich sie im Leben überhaupt nicht gesehen und auch im Theater nur ein einziges Mal gewesen war – dennoch verliebte ich mich in sie.
Damals wohnten wir, fünf junge, übermütigeLeute, alle Wand an Wand und Tür an Tür. Ich geriet in ihren Kreis, geriet ganz von selbst hinein, obschon ich mich zunächst zurückhaltend zu ihnen gestellt hatte. Dann aber, verstehen Sie, um ihnen nicht nachzustehen, ging ich auf alles ein. Und was sie mir nicht von dieser Schauspielerin erzählten! Jeden Abend, so oft Theater gespielt wurde, schob die ganze Kumpanei – für Notwendiges hatten sie nie einen Heller – schob die ganze Kumpanei ins Theater auf die Galerie und klatschte und klatschte und rief immer nur diese eine Schauspielerin hervor – einfach wie die Besessenen gebärdeten sie sich! Und dann ließen sie einen natürlich nicht einschlafen: die ganze Nacht wurde nur von ihr gesprochen, ein jeder nannte sie seine Glascha, alle waren sie in sie verliebt, alle hatten sie nur den einen Kanarienvogel im Herzen: Sie! Da regten sie denn schließlich auch mich auf. Ich war ja damals noch ganz jung!
Ich weiß selbst nicht mehr, wie es kam, daß ich mit ihnen im Theater saß, oben auf der Galerie. Sehen konnte ich nur ein Eckchen vom Vorhang, dafür aber hörte ich alles. Sie hatte solch ein hübsches Stimmchen – hell, süß, wie eine Nachtigall. Wir klatschten uns die Hände rot und blau, schrien, schrien – mit einem Wort, man hätte uns beinahe am Kragen genommen, ja, einer wurde wirklich hinausgeführt.
Ich kam nach Hause, – wie im Nebel ging ich! In der Tasche hatte ich nur noch einen Rubel, bis zum Ersten aber waren es noch gute zehn Tage. Ja,und was glauben Sie, Kind? Am nächsten Tage, auf dem Wege zum Dienst, trat ich in einen Parfümerieladen ein und kaufte für mein ganzes Kapital Parfüm und wohlriechende Seifen – ich vermag selbst nicht mehr zu sagen, wozu ich dies alles damals kaufte. Und dann speiste ich nicht einmal zu Mittag, sondern ging vor ihren Fenstern auf und ab. Sie wohnte am Newskij, im vierten Stock. Ich kam nach Haus, saß ein Weilchen, erholte mich, und dann ging ich wieder auf den Newskij, um ihr von neuem Fensterpromenaden zu machen.
So trieb ich's anderthalb Monate; jeden Augenblick nahm ich Droschken, immer Lichatschi, und fuhr hin und her vor ihren Fenstern: kurz, ich brachte all mein Geld durch, geriet obendrein in Schulden, bis ich dann schließlich und von selbst aufhörte, sie zu lieben, und das Ganze mir langweilig wurde.
Da sehen Sie, was eine Schauspielerin aus einem ordentlichen Menschen zu machen imstande ist! Doch ich war damals wirklich noch jung, Warinka, noch ganz, ganz jung!…
M. D.
8. Juli.
Meine liebe Warwara Alexejewna!
Ihr Büchlein, das ich am 6. dieses Monats erhalten habe, beeile ich mich, Ihnen zurückzusenden. Gleichzeitig will ich versuchen, mich mit Ihnen in diesem Briefe zu
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