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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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begann sich denn auch in mir ein ganz lebenskräftiger Neid gegen diesen Bauerburschen zu regen. Da ich mich aber mit Naturdämonen schon hinlänglich behaftet fühlte, so entschloß ich mich kurz, diesen neuen Kameraden sofort in der Geburt zu ersticken.
    Zum Glück hatte ich einige blanke Münzen bei mir, mit denen es mir bei den Knaben sofort gelang, ihnen einige der Blätter abzuhandeln. Nachdem mir beim Nachhausekommen auch der Schulmeister bestätigt hatte, daß die Bilder von der Hand seines jungen Schülers seien, verbarg ich für diesen Abend die eroberten Schätze in meinem Skizzenbuch.
    Am andern Morgen trat ich früh mit der Sonne meine gewöhnliche Wanderung an. Als ich an der Kirchhofsmauer entlangging, sah ich jenseit derselben einen jungen Mann auf einem Grabe sitzen. Während ich durch das Kreuz der Kirchhofspforte trat, wandte er den Kopf zu mir, und ich sah nun zum ersten Mal in jenes blasse Antlitz mit den tiefliegenden Augen, welche das Wesen der Dinge einzusaugen scheinen; mit einem Wort, ich sah den Jungen, in dessen aufstrebender Kunst ich jetzt fast mehr lebe als in meiner eigenen. Aber während ich auf ihn zuging, stand er auf und entfernte sich nach der andern Seite des Kirchhofs; er überschritt den Fahrweg jenseit desselben und entschwand meinen Augen zwischen den Bäumen eines anliegenden Gehölzes. Ich ging zu dem Rasenhügel, den er soeben verlassen, und da ich hier auf dem Grabsteine den Familiennamen unseres Nachbars las, so wußte ich auch, daß ich Paul Werner auf dem Grabe seiner Mutter gesehen hatte. Jetzt machte ich lange Beine; du weißt, daß ich diese Fähigkeit besaß, die mir auch bis jetzt noch nicht abhanden gekommen ist. Als ich meinen Flüchtling drüben auf dem Fußsteige des Wäldchens wieder zu Gesicht bekommen hatte, rief ich ihm schon von weitem meinen ›Guten Morgen‹ nach. Er blickte um, erwiderte meinen Gruß und ging dann nur um so schneller vorwärts.
    Ich strengte also noch einmal meine Lungen an. ›Paul Werner!‹ rief ich. ›Warte, ich habe mit dir zu reden!‹
    Jetzt blieb er stehen. ›Ich kenne Sie nicht, Herr‹, sagte er; – übrigens, dank seinem alten Schulmeister, in reinem Hochdeutsch.
    ›Aber ich möchte dich kennenlernen‹, erwiderte ich.
    ›Mich?‹ fragte er befremdet.
    ›Dich, Paul!‹ versetzte ich, ›denn ich höre, du willst Maler werden.‹
    ›Ich will kein Maler werden, Herr.‹
    ›Aber der Schulmeister sagt es doch.‹
    Er schüttelte den Kopf. ›Das ist vorbei‹, sagte er.
    Ich nahm nun die erhandelten Bilderchen aus meinem Skizzenbuch. ›Sind das deine Malereien?‹ fragte ich.
    Er nickte.
    ›Wie hast du denn das zustande gebracht?‹
    ›Ich habe es so gesehen‹, erwiderte er.
    ›Recht so!‹ rief ich. ›Und es ist auch so; es ist nur seltsam, daß nicht auch die andern‹ – fast hätte ich gesagt: wir andern – ›es so sehen.‹
    Er blickte mich fragend an, er verstand das nicht. Aber ich schrie ihm zu: ›Und du willst kein Maler werden, Junge? Was in aller Welt denn sonst?‹
    Eine Weile zupfte er schweigend an seinen Fingern; dann sagte er: ›Ich werde ein Bauer, wie mein Vater.‹
    ›Und doch, Paul‹, begann ich noch einmal, ›hast du nicht leben wollen, weil du nicht malen durftest.‹
    Eine jähe Röte schoß über das blasse Antlitz. ›Weshalb sagen Sie mir das?‹ sagte er zitternd.
    ›Weil ich dir helfen möchte, Paul‹, erwiderte ich; ›denn bei den Toten ist nun einmal keine Hülfe.‹
    Er schlug langsam die Augen zu mir auf und blickte mich fast angstvoll an. ›Ich suche einen tüchtigen Schüler‹, fuhr ich fort. ›Was meinst du, willst du es mit mir versuchen?‹ Dabei gab ich ihm das Skizzenbüchlein aufgeschlagen in die Hand.
    Es war doch, als wenn es plötzlich in den dunkeln Augen blitzte; wie auf eine Offenbarung schaute er auf die kleine Aquarellskizze. – Und doch, sage ich dir, ist die Zeit nicht fern, daß meine Augen ebenso an seinen Blättern haften werden; denn er ist einer von jenen, nach deren Tode man noch die Papierschnitzel aus dem Kehricht sammelt, auf welchen ihre Hand einmal gekritzelt hat.«
    Mein Freund war aufgestanden und stützte sich mit beiden Händen auf den vor uns stehenden Gartentisch; auch in seinen Augen blitzte es jetzt von Liebe und Begeisterung.
    »Doch«, fuhr er fort, »damals war er noch ein Bauerbursche und konnte sich nicht satt staunen an meinem Machwerk. – Was soll ich dir das lange noch erzählen! Als ich ihm alles, was ich beabsichtigte

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