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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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fragte ich.
    Der Alte schob die Pudelmütze übers Ohr. ›Das ist ein wunderlich Spiel‹, versetzte er, ›seit er die Dummheit da begangen, ist er mir wie ausgewechselt. Als ich ihn gefragt habe: »Was willst du denn nun eigentlich, Paul?« hat er geantwortet: »Was Ihr wollt, Vater, mir gilt’s gleich!« Aber gesprochen hat er kein Wort, und nach dem Abendbrote geht er auf seine Kammer; ob er dort schläft oder wacht, ich weiß es nicht. Seht – dies Wesen will mir ebensowenig gefallen. Was meint Ihr, wenn Ihr einmal ein vernünftig Wort mit ihm zu reden suchtet? Ihr könntet mir einen rechten Dienst erweisen; ich selbst verstehe die Worte nicht so zu setzen.‹
    Der Mann sah erwartungsvoll zu mir auf; die Sorge um sein Kind stand leserlich in seinen harten Zügen.
    ›Aber‹, erwiderte ich, ›wenn er nun wieder von seiner Malerei beginnt?‹
    ›Solch dummes Zeug müßt Ihr ihm eben auszureden suchen!‹
    ›Aber weshalb denn sollte er nicht Maler werden?‹
    ›Weshalb? – Er hat eine volle Hufe; er braucht brotlose Künste nicht zu treiben.‹
    Ich wagte einen kühnen Schritt. Als ich meine Wohnung verließ, hatte ich in dem Gedanken, sofort in die weite Welt zu laufen, meine paar Kassenscheine in mein Taschenbuch gesteckt. Jetzt zog ich es hervor und schlug es vor dem Alten auf.
    ›Was soll’s?‹ sagte er, ›das ist ein Päckchen Funfzigtalerscheine.‹
    ›Das‹, erwiderte ich, ›ist mit der brotlosen Kunst verdient.‹
    ›Wie meint Ihr das?‹
    ›Ich meine, daß diese dreihundert Taler der halbe Preis meines letzten Bildes sind; denn ich bin eben auch nur ein Maler.‹
    Der Alte sah mich fast erschrocken an. ›Ihr?‹ sagte er; ›da wäre ich ja an den Rechten gekommen! Im übrigen‹, setzte er hinzu indem er mich mitleidig von oben bis unten musterte, ›ist das ein ander Ding; mein Junge hat gesunde Gliedmaßen.‹
    ›Nun, gute Nacht, Nachbar!‹ sagte ich und machte Miene fortzugehen.
    Aber er rief mich zurück. ›Auf ein Wort noch, Herr Brunken‹, begann er wieder, ›dreihundert Taler, sagtet Ihr? Und nur die Hälfte? Wie lange macht Ihr denn an solch einem Bild? – Wird wohl langsame Arbeit sein?‹
    Als ich ihn über dieses Bedenken beruhigt hatte, stützte er erst den Kopf in die Hand; dann zog er seine Pfeife aus der Tasche, schlug Feuer und rauchte eine ganze Weile eifrig, aber schweigsam fort. Hierauf folgte eine lange Auseinandersetzung zwischen uns; der Alte meinte, der Junge sei für den Acker da, und ich meinte, der Acker sei für den Jungen da; endlich, als ich ihm auch noch die pausbackige Nachkommenschaft seiner im Dorf verheirateten Tochter zu Gutserben designiert hatte, erhielt ich die Erlaubnis, nach meinem Guthalten mit seinem Sohne zu sprechen. ›Nun macht’s, wie Ihr könnt‹, schloß der Alte diese Verhandlung; ›und damit hopp und holla! Ich führ’ selbst in die Grube, wenn ich dem Jungen sein tot Gesicht noch länger ansehen sollte.‹
    Eine Stunde später, während welcher die Arbeiter vom Felde zurückgekehrt waren, stand ich vor dem Schulhause und blickte nach des Nachbars Garten hinüber, wo trotz des Johannisabends noch eine Nachtigall in den Holunderbüschen schlug. Da verstummte mit einemmal der Vogelgesang; statt dessen hörte ich Kinderstimmen, und bald sah ich auch ein paar Knaben und ein kleines Mädchen durch die Gartenpforte auf den Weg hinausrennen. Draußen blieben sie stehen und wiesen mit den Fingern auf kleine Papierblättchen, von denen jedes mehrere in Händen hatte; dann gingen sie wieder eine Strecke fort und setzten sich unweit unter einen Zaun am Wege, wo es an ein neues Zeigen und Beschauen ging.
    Ich konnte den Zusammenhang dieses Vorganges leicht erraten; und richtig, als ich zu ihnen gegangen, sah ich, daß es lauter bunte Bilderchen waren. ›Wer hat euch die geschenkt?‹ fragte ich.
    Sie glotzten mich scheu von der Seite an; nur das kleine Mädchen antwortete endlich auf meine wiederholte Frage: ›Paul Werner!‹
    Ich sah mir die Sachen an. Es war ungeschicktes Zeug aus allen vier Naturreichen; eine Kuh, die mit dem Schwanze sich die Bremsen wegpeitscht; ein alter Felsblock; ein Bienenstand mit einem Hund davor und dergleichen mehr; aber aus allem blickte in kleinen Zügen, was ich selber nie so ganz besessen, jenes instinktive Verständnis der Natur; es war alles, so unbehülflich es auch war, dennoch, ich möchte sagen, über das Zufällige hinausgehoben.
    Du weißt, der Mensch ist nun einmal eine Kanaille; – und so

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