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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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begreifst du das nicht, Rudolf?«
    Er sah sie mit weit offenen Augen an. »Und darum hasse ich ihn!« rief er in ausbrechender Heftigkeit; »und jeden, der seine Hand nach deiner auszustrecken wagt!«
    Nur einen Augenblick stand sie betroffen; gleich darauf hatte sie ihr Schnupftuch hervorgezogen und wischte sich recht derb damit die Augen. »Schilt mich, Rudolf«, sagte sie treuherzig, und ihre ganze süße Stimme klang in diesen Worten; »aber glaub nur, ich bin das nicht gewohnt, es hat mich sonst noch niemand haben wollen; er hätte doch auch sehen müssen, daß ich dir gehöre!«
    Da riß er sie ungestüm an seine Brust: »Verzeih mir, habe Geduld! Auch ich muß erst lernen, so übermenschlich reich zu sein!«
    Sie neigte nur das Haupt und ließ sich still umfangen; dann gingen sie miteinander in das Haus und waren zwischen Eltern und Geschwistern, bis auch dieser letzte Tag verging.
    Während des Winters, der nun angebrochen war, wurde im Pfarrhause von unermüdlichen Händen an der Aussteuer der jungen Frau Försterin gearbeitet; die Mutter hätte gern wenigstens eins der neuen Sommerkleider mit grünem Band besetzt; aber Anna protestierte lachend und heftete das Band um ihren Sommerhut. Bisweilen kam auch der Pfarrer mit seiner Pfeife aus der Studierstube herüber, stand und nickte lächelnd seiner Anna zu, welche selbst die Schwester Käthe in deren Freistunden bei dieser heiteren Arbeit anzustellen wußte.
    Weihnachten brachte den Besuch des Bräutigams und große Störung dieses fleißigen Treibens. Dann, nach der neuen Trennung, wurden den Brautleuten die Tage immer länger, zumal als noch einmal die Welt in Schnee begraben wurde und Anna von ihrer Arbeit, wie Rudolf aus dem Fenster seiner entlegenen Försterei, vergebens nach dem Briefboten aussah.
    Endlich, unter den ersten Sonnenstrahlen des Aprils, der diesmal seinem Namen als »Eröffner« Ehre machte, legte der väterliche Priester die Hände des jungen Paares ineinander. Auch Bernhard als ein zwar ernster, aber wohlmeinender Gast war dessen Zeuge; er hatte einer verlorenen Hoffnung wegen nicht auch die Menschen selbst verlieren wollen. Noch vor dem Abschied hatten auf seine Bitte beide es ihm zugesagt, im Verlauf des Sommers auf seinem auch von ihrem neuen Wohnort nicht gar fernen Hofe einzukehren.
    Dann unter dem Dache des inzwischen sauber hergerichteten Forsthauses kam der Beginn des jungen Ehelebens. Zwar hatten beide ihre volle Arbeit: Anna zu allem anderen mit einem aufgeschossenen Dorfkinde, das sie zum regelrechten Mägdedienst erziehen mußte, Rudolf die immer wiederkehrende Vertretung des kränkelnden Oberförsters ; aber die Arbeit selbst war jetzt ein Miteinanderleben. Oft auch – denn die Kunst der Wirtschaft war ihr angeboren, so daß sie immer noch ein Maß von Zeit für ihren Liebsten übrig hatte – begleitete Anna diesen auf seinen Berufswegen durch den Wald, sei es zu den Föhren, wo an den mächtigen Stämmen jetzt die Axt erklang, oder in einen der Buchenschläge, wo die gefürchtete Nonnenraupe mit Verwüstung drohte.
    Inmitten dieser herrschaftlichen Wälder, auf den alten Karten zu über vierzig Tonnen Landes angezeichnet, lag ein Bezirk, in dem die königlichsten aller Bäume stehen sollten; aber, man wußte nicht, ob aus Liebhaberei oder infolge nachlässiger Bewirtschaftung der Vorbesitzer, seit wohl hundert Jahren hatte ihn keine Axt berührt, ja, wie es hieß, kaum eines Menschen Fuß betreten.
    Der Graf freilich, in Begleitung Rudolfs und eines begeisterten Landschaftsmalers, war einmal mit Messer und Säbel eine Strecke weit in seinen »Urwald« vorgedrungen, und ein paar der wildesten Partien, welche der Maler auf die Leinwand gebracht hatte, zierten jetzt in der Residenz sein Arbeitszimmer.
    Aber auch Anna, als Rudolf ihr davon erzählte, war im Übermut des Glückes und der Jugend ein Gelüsten nach dem Abenteuer angekommen: zwar hatte jener anfänglich neckend abgewehrt, dann aber eines Sonntagmorgens, in Freuden über sein schönes reisiges Weib, ihr selber kunstgerecht das Kleid gegürtet; und so waren sie, auch im übrigen wohlgerüstet, zum Besuch des Urwaldes ausgezogen. Manchmal im wildesten Gestrüppe hatte sie atmend an seiner Brust geruht, aber auf seine Frage, ob es denn nun genug sei, immer lächelnd noch den Kopf geschüttelt, bis er dann aufs neue vor und über ihr das Zweiggewirr durchbrochen und sie sich endlich zu einer Lichtung durchgekämpft hatten, wo ein bemooster Granitblock zum Ruhen

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