Werke
einzuladen schien. Gegenüber, hinter einem schmalen Sumpfe, der vom Röhricht ganz durchwachsen war, stieg wiederum, anscheinend undurchdringlich, das Gewirr des Waldes auf.
Aber nur Rudolf hatte sich gesetzt; Anna kniete zwischen einem Flor von Maililien, welche einen Teil der Lichtung überdeckten, und pflückte eifrig einen Strauß zusammen. Als sich ihre Hand allmählich füllte, wandte sie den Kopf: »So hilf doch, Rudolf! Ich für deine, du für meine Stube!«
Er schien es nicht zu hören. »Sieh nur«, sagte er, indem er mit ausgestrecktem Finger gegenüber nach dem Dickicht zeigte; »wer sich nicht wollte finden lassen, müßte dort schwer zu suchen sein!«
Anna war aufgesprungen und sah ihn fast erschrocken an; aber schon hatte sie die Blumen fortgeworfen, und in Übermütiger Zärtlichkeit mit beiden Händen ihn umhalsend, rief sie heiter: »Versuch es nur, ich will dich dennoch finden!«
Ohne Blumen, in der Fülle ihres Glückes, waren sie dann heimgegangen.
– – Bald danach war Annas Vater im Forsthause eingekehrt und mit Jubel von dem jungen Paar empfangen worden. Nur auf wenige Tage hatte sein Amt ihn freigelassen, aber er verstand es, die Stunden auszunutzen. Auch im Schlosse war man zum Abendtee gewesen; der Graf und der Pfarrer schienen sich gegenseitig zu gefallen. Während Rudolf die Frauen am Klavier um sich versammelte, standen jene im Gespräch in einer Fensternische. »Ohne Zweifel«, sagte der Graf, »ich halte ihn für recht befähigt, nur etwas zaghaft noch; aber man muß der Jugend etwas zutrauen, und so hab ich’s denn auch mit ihm im Sinne.« Der Pastor nickte: »Exzellenz wollen nachträglich die Männererziehung noch dazutun!« – »Ich denke, wir verstehen uns, Herr Pastor!« Und sie lauschten nun auch dem meisterhaften Spiel des jungen Försters.
Am andern Abend saß der Pastor wieder im Familienzimmer seines Pfarrhauses, und wenn die gute Frau Pastorin in seiner Erzählung auch vergebens auf den romantischen Zauber des Jägerlebens wartete, so ließ er selber sich doch behaglich von der jetzt Ältesten, seiner Käthe, den brennenden Fidibus für seine Pfeife bringen.
– – Es war im Juli an einem Sonntagnachmittage, als die jungen Eheleute in der warmen Sommerluft vor ihrem Hause saßen, wohlgeborgen unter der alten, weithin schattenden Eiche, deren Laub jetzt im sattesten Grün erglänzte. Die Kaffeestunde ging zu Ende, und Anna erhob sich und nahm das Geschirr von dem selbstgezimmerten Säulentische, um es ins Haus zurückzutragen. Nur sollte ihr das nicht ohne Hindernis gelingen; als sie an Rudolfs Sitz vorbei wollte, umschloß er sie mit beiden Armen, und so stand sie gefangen und wagte mit ihrer zerbrechlichen Bürde sich nicht zu rühren. Lächelnd blickte sie zu ihm nieder; das Schweigen des Glückes lag auf beider Antlitz.
Über der Haustür auf dem alten Geweih des Sechzehnenders, das sich bis in die grünen Zweige hinaufstreckte, zwitscherte eine Schwalbe und flog dann über ihren Köpfen wieder in den Sonnenschein hinaus; nur von der seitwärts am Waldesrande sich entlangziehenden Wiese tönte nach wie vor das Summen der Millionen schwebenden Geziefers; mitunter erhob es sich wie übermütig, als wollten sie den Menschen ihre kurze Sommerherrschaft fühlen lassen; dann sank es wieder wie zu leisem Harfenton.
Unwillkürlich hatten beide hingehorcht. »So hör ich’s gern«, sagte Anna; »nur sollen sie mir nicht ins Zimmer kommen.«
Rudolf bejahte nachdenklich: »Aber sie kommen ungefragt; horch nur, es klingt ganz zornig, und sie dürsten auch nach unsrem Blute.«
»Laß sie«, versetzte heiter die junge Frau; »das Tröpfchen wollen wir ihnen gönnen.«
Über Rudolfs Augen flog es wie ein Schatten, und er schloß die Arme fester um die schlanken Hüften seiner Frau. »Meinst du?« sagte er gedehnt. »Es gibt eine schwarze Fliege, diese Sommerglut brütet sie aus, und sie kommt mit all den andern zu uns, in dein Haus, in deine Kammer, unhörbar ist sie da, du fühlst es nicht, wenn schon der häßliche Rüssel sich an deine Schläfe setzt. Schon mancher hat sie um sich gaukeln sehen und ihrer nicht geachtet, denn die wenigsten erkennen sie; aber wenn er von einem jähen Stiche auffuhr und sich, mehr lachend noch als unwillig, ein Tröpflein Blutes von der Stirn wischte, dann war er bereits ein dem Tod verfallener Mann.«
Anna hatte mit verhaltenem Atem zugehört; nun fuhr sie mit der freien Hand ihm über Stirn und Haare: »Du könntest einem bange
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