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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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nicht wie, an demselben Platze unter den Holzschlägern ; der Mensch hatte eine unheimliche Anziehungskraft für ihn gewonnen.
    Plötzlich wandte er sich ab; es trieb ihn mit Gewalt nach Hause, er mußte und wenn auch nur einen Blick in die klaren Augen seines Weibes tun. Aber er brauchte nicht so weit zu gehen; als er in den Fahrweg einbog, der durch den Wald führte, kam sie ihm entgegen. »Anna!« rief er und schloß sie in seine Arme.
    »Ja, da bin ich, Rudolf; so auf gut Glück bin ich dir nachgelaufen.« Und langsam erhob sie ihre Augen zu den seinen; es war, als ob sie recht tief in ihnen lesen wollte.
    »Was hast du, Liebste?« frug er.
    »Dich!« erwiderte sie zärtlich.
    »Sonst nichts?«
    »Doch; noch einen Einfall!« Und sie nickte lächelnd zu ihm auf.
    »Laß hören!« sagte er zerstreut; er war in ihren liebevollen Augen ganz verloren.
    »Ja, weißt du, Rudolf – aber du darfst mich nicht so ansehen, sonst hörst du doch nicht –, ich war im Schuppen, wo das Kabriolett steht; es ist ja morgen Sonntag; wollen wir nicht zu Bernhard fahren? Auf unserer Hochzeit haben wir es ihm so fest versprochen! Du mußt einmal hinaus, und auch ich möchte gern die kleine Julie wiedersehen; ich glaube«, fügte sie lächelnd bei, »sie hat dich damals mir wohl nur so kaum gegönnt.«
    Rudolf blickte noch immer auf seine Frau, aber seine Augen schienen ohne Sehkraft. Zu Bernhard – jetzt zu Bernhard! Warum überfiel es ihn plötzlich, als habe er kein Recht auf dieses Weib, das doch sein eigen war, deren jugendlichen Leib er jetzt, in diesem Augenblick, in seinen Armen hielt? Die Worte seiner Mutter klangen ihm wieder vor den Ohren: wenn Bernhard auch nur um eine Stunde ihm zuvorgekommen wäre!
    »Rudolf, lieber Mann«, sagte Anna leise. Aber er schloß nur seine Arme fester um sie; seine Gedanken ließen ihn nicht los. Was würde werden, wenn ihn ein Unfall, wenn der Tod ihn fortnähme? – Er richtete sich straff empor, als müsse er das Bild, das seine Augen sahen, überwachsen ; aber es wurde nicht anders, und er sagte es sich dennoch: über seinem Grabe würde jener um sie werben, und Anna – würde Anna widerstehen?
    Eine nie empfundene Leidenschaft für sein schönes Weib ergriff ihn; es drängte ihn, sich vor sie hinzuwerfen, es ihr zu entreißen, daß seine Gedanken ein Frevel an ihrer Liebe seien, daß das niemals, nie geschehen könne. Aber es war etwas, das seinen Mund verschloß; etwas, das er verschuldet hatte, das nicht wiedergutzumachen war.
    Demütig löste er die Arme von ihrem jungen Leibe; sie aber zog sein Haupt zu sich herab und küßte ihn. »Lassen wir es!« sagte sie freundlich, »es wird noch mehr der schönen Tage geben, eh der Winter kommt.«
    Er ergriff eine ihrer Hände, drückte sie heftig und ließ sie wieder: »Ja, Anna; später – später einmal; ich habe morgen auch den ganzen Tag besetzt.«
    Sie hing sich an seinen Arm, und während sie aus dem Walde und an dessen Rand entlang nach Hause gingen, suchte sie den beklommenen Atem ihrer Brust zu meistern und über die kleinen Dinge ihres Tagewerks mit ihm zu plaudern.
    Das Jahr rückte weiter: der erste Blätterfall begann schon hie und da den Wald zu lichten ; Schwärme von Vögeln, deren Stimmen man nur im Herbst zu hören pflegt, zogen hoch unter den Wolken dahin oder fielen rauschend in die Büsche und flogen weiter, wenn sie an den roten oder schwarzen Beeren sich gesättigt hatten ; auch an der Eiche, die das Dach des Försterhauses beschattete, begannen sich die Blätter bunt zu färben.
    Auf dem herrschaftlichen Schlosse hatte inzwischen der Graf noch eine neue Arbeit für seinen jungen Förster ausgesonnen: die große Wildnis sollte endlich wieder in ordnungsmäßige Kultur genommen, ein daranstoßender Sumpf trockengelegt und dann bepflanzt werden; oberflächliche Vermessungen, so gut es hier und bei der treibenden Eile des Grafen geschehen konnte, waren bereits vorgenommen worden; nun galt es, Karten zu entwerfen und Kosten- und wer weiß was sonst für Anschläge auszuarbeiten und in kürzester Frist dem stets ungeduldigen Gebieter vorzulegen. Aber Rudolf konnte seinen Gedanken nicht mehr wehren, immer ihren eigenen dunkeln Wegen zuzustreben, und so rückte trotz seines Fleißes alles doch nur mühsam weiter. Schon ein paarmal war es darüber zwischen ihm und dem Grafen zur Erörterung gekommen, und in seinem Hirn begann ein Brüten, wie er alledem entrinnen möge. Sein geliebtes Klavier stand trotz Annas Bitten seit

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