Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
weht.
    Rudolf hatte die verschiedenen kleinen Mitteilungen entgegengenommen und hie und da ein zustimmendes oder anweisendes Wort dazu gegeben. »Ist sonst noch etwas, Andrees?« frug er, als dieser mit seinem Bericht zu Ende schien.
    – »Sonst nichts, Herr Förster; nur daß der Holzschläger Peters aus der Anstalt wieder da ist.«
    »Woher? Welcher Peters?« frug Rudolf hastig.
    »Es war vor des Herrn Försters Zeit«, erwiderte Andrees. »Er hatte sich eingebildet, als einziger Sohn von den Soldaten freizukommen und dann drunten mit des reichen Seebauern Tochter Hochzeit zu machen; als aber auf beidem eine Eule gesessen hatte, da wurde er wirrig und mußte in die Anstalt.«
    Anna hatte zu stricken aufgehört; einen losen Sticken an die Lippen drückend, horchte sie aufmerksam dieser Erzählung. »Der arme Mensch«, sagte sie mitleidig »ist er denn jetzt wieder ganz gesund?«
    »Muß doch wohl, Frau Förstern«, meinte Andrees »sogar ’ne Frau hat er sich mitgebracht; freilich, keine reiche: es ist eine Wärterin aus der Anstalt, die sich in den jungen Kerl verliebt hatte.«
    Ein Ton wie ein Schreckenslaut entfuhr den Lippen der jungen Frau: »Mein Gott, welch ein Wagstück! Wenn es wiederkäme!«
    »Soll wohl sein können«, erwiderte Andrees; »aber das Weibsbild hat sich dann doch selber nur betrogen; sie muß ja wissen, wen sie sich gekauft hat.«
    Anna starrte schweigend vor sich hin, als ob ihre Phantasie die schreckensvolle Möglichkeit verfolge; sie achtete kaum darauf, als Rudolf, der während dieses Gespräches keinen Laut von sich gegeben hatte, jetzt mit abgewandtem Antlitz fast schwankend sich erhob und, das Beben seiner Stimme mühsam nur beherrschend, zu dem Waldwärter sagte: »Kommen Sie nach meinem Zimmer, Andrees; es sind noch Postsachen für Sie mitzunehmen.« Als sie aber dahin gekommen waren, meinte Rudolf, er müsse bis zum Abend warten, es komme doch noch einiges dazu.
    Wer nach dem Fortgange des Waldwärters hier unbemerkt hätte hineinblicken können, der hätte den jungen Förster in der Mitte des Zimmers gleich einem düsteren Bilde stehen sehn; mit untergeschlagenen Armen, das auf die Brust gesunkene Haupt von den schweren Atemzügen kaum bewegt. Nur einzelne karge Worte: »Schweigen!« und wieder »Schweigen-um jeden Preis und bis ans Ende!« wurden dann und wann von seinen Lippen laut.
    Endlich, als dann die Wanduhr über seinem Schreibtisch mit lautem Schlage aushob, fuhr durch diesen einzigen Gedanken ihm ein anderer: er schüttelte sich, und nachdem er mit schweren Schritten ein paarmal auf und ab gegangen war, nahm er einige Papiere aus einem Schubfach; es war hohe Zeit, er mußte ja zum Grafen und den glücklichen Bericht erstatten.
    – – Es ging schon gegen Mittag, als die junge Frau aus dem Küchenfenster, hinter welchem sie beschäftigt war, ihren Mann auf dem hier vorüberführenden Wege heimkehren sah und bald danach ihn auf dem Hausflur und nach seinem Zimmer gehen hörte. Unwillkürlich ruhten ihre emsigen Hände: Rudolf pflegte sonst nach solchem Gange »zur Herzerfrischung«, wie er sagte, sie für eine Weile aufzusuchen, sich ein paar Worte oder auch nur einen Händedruck von ihr zu holen; und jetzt kam es ihr plötzlich, daß er auch vorhin so jäh und ohne beides von ihr fortgegangen sei. Noch einige Minuten stand sie horchend, ob nicht die eben geschlossene Tür sich wieder öffnen möge; dann legte sie die Geschirre, die sie in der Hand hielt, fort und ging nach Rudolfs Zimmer.
    Es schien völlig still da drinnen; als sie die Tür öffnete, fand sie ihn mit aufgestütztem Kopf an seinem Schreibtisch sitzen. Sie setzte sich an seine Seite und nahm seine Hand, die er ihr schweigend überließ; erst als sie den Druck derselben in der ihren fühlte, sprach sie leise: »Was war’s denn, Rudolf? Warum gingst du mir vorüber? Brauchst du heute keine Herzerfrischung, oder mißtrauest du schon meiner armen Allmacht?«
    Dem Drängen dieser liebevollen Stimme widerstand er nicht; ihm war ja auch nichts Übles widerfahren; im Gegenteil, sein Bericht hatte den Grafen in die wohlwollendste Laune versetzt; er hatte von dem notwendigen Abgange des altersschwachen Oberförsters gesprochen: schon jetzt werde Rudolf die Geschäfte und, sobald die Pensionsverhältnisse des Abgehenden geordnet wären, auch dessen höhere Stelle endgültig übernehmen müssen.
    Ein Laut freudiger Überraschung entfuhr bei dieser Mitteilung dem Munde der jungen Frau. »Wie schön!« rief sie,

Weitere Kostenlose Bücher