Werke
Wildmeister mit dem Knaben nach dem Hofe hinabging; dann, wie sie draußen mit Hans Christoph das erschossene Thier aus seinem Winkel zogen.
– – »Ihr möget kein Blut sehen, Herr Magister!« sprach der Alte zu mir, da sie beide wieder in das Zimmer traten.
»Ihr saget es«, entgegnete ich; »ich dachte an die Jungen des erschossenen Mutterthieres.«
»Das ist nun so«, sprach er und stand in sich versinkend vor mir; »’s ist doch kein schwanger Weib, aus dessen Schoß sich noch ein unreif Kind losreißen muß. Aber die jungen Wölfe sollen nicht verkümmern; ich und Hans Christoph«, sprach er wieder lauter, »holen sie noch heute nacht; so lange wir die Brut nicht haben, ist der Wald nicht rein.«
Dann entzündete er ein Licht mit seinem Zunderkästlein, öffnete eine Kammerthür und ließ uns eintreten. Hier stand eine schlichte Bettstatt, davor ein großer Sessel, ein Mantel lag darüber.
»Ihr werdet hier schon schlafen können«, sprach er freundlich; »und habet somit gute Nacht!« Er reichte mir die Hand, küßte den Knaben, und wir hörten, wie er durch das andere Zimmer fortging.
Ich setzte mich in den Sessel und deckte mir den Mantel über, Rolf warf sich angekleidet auf das Bett. Er sprach kein Wort; er hatte den Kopf gestützt und starrte auf die Thür, durch welche der Alte sich entfernt hatte. »Wer war das?« rief er plötzlich, doch als ob er zu sich selber spräche. Da frug ich ihn: »Wen meinst du, Rolf? den Wildmeister?«
Er schien mich nicht zu hören, und der Glanz seiner Augen war gleichsam so nach innen gekehret, als sähen sie rückwärts in die weiteste Vergangenheit; vielleicht, denn es geschiehet ja also, stand er an dem Bette seiner Mutter, die er im vierten Jahre als eine allzeit kranke Frau verloren hatte. Und abermals rief er, jedoch frohlockend: »Jetzt weiß ich es! – Ich soll ihn grüßen!« Und seine Augen warfen wieder ihre blauen Demantstrahlen.
Als aber die Flurthür des anderen Zimmers aufging und der Schritt des Alten darin hörbar wurde, der etwa was Vergessenes zu holen kam, sprang er jählings aus der Bettstatt und ging hinein.
Aber die Thür blieb hinter ihm um eine Spalte offen; da sahe ich den Knaben in des Alten Armen hängen, ich sah das alte Gesicht sich auf das junge neigen und viele Thränen aus den alten Augen darauf fallen. Was sie zu einander sprachen, habe ich nicht verstanden, denn es war leise, gleich wie junges Vogelzwitschern. Aber ich stand auf und zog die Kammerthür zu, damit sie ganz allein wären. Ich dachte: ›Schweige! denn, wie Matten sagt, bei Gott ist Rath und That.‹ – – Am Abend des andern Tages sah ich kein Licht da drüben in dem Thurmhaus, und ist auch wohl nimmer wieder eines dort gewesen; denn der Wildmeister hatte sich vom Hofe beurlaubet, nachdem er noch die jungen Wölfe abgeliefert hatte. Hans Christoph sah ich mitunter bei dem Kirchgange, er blickte mich dann traurig an und zog schweigend seine Mütze. Der Vetter raunte mir zu: »Das war des Sünders Glück, Ehrwürden, daß er sich zeitig fortgehoben.« Der Junker aber redete nie von ihm und jener letzten Nacht. Nur der Herr Oberst sprach mitunter: »Das war doch anders, als noch der Wildmeister dort im Thurm hauste!«, denn der neue Förster, der im Dorfe wohnete, wollte ihm nicht behagen.
Anno 1713 war ich schon mehr denn vier Jahre hier als Successor des Pastor Heikens, der nach Wetzlar in der Wetterau berufen worden.
Der Mißwirthschaft in unserem Lande überdrüssig-denn der Geheimrath Görtz riß immer mehr die Zügel an sich und war mit dem Könige nur einig, wo es galt, die Stände und das Land zu drücken –, hatte der Herr Oberst schon Anno 1707 den Junker nach Stockholm gesandt, woselbst er als Page und Leibdiener unserer Herzogin eingestellet wurde; nach deren im darauf folgenden Jahre bereits erfolgtem traurigen Absterben trat er als Fahnenjunker in die schwedische Miliz und hatte nunmehr geschrieben, daß er als Lieutenant bei den Dragonern war installiert worden.
Auf Grieshuus saß nun der Oberst mit dem Vetter und der Tante Adelheid in großer Stille; auch machte die Wunde ihm gar oft zu schaffen. Jeden Montagabend brachte ich dorten zu; dann sprachen wir von unserem stolzen Knaben. War ein Brief gekommen, so mußte ich ihn vorlesen; Tante Adelheid hielt dann ihre Spindel müßig auf dem Schoße, und der Vetter rief dazwischen: »Nun, Ehrwürden, was saget Ihr zu unserem discipulus?« Dann nickte der Oberst lächelnd von seinem Kanapee,
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