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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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halten; dennoch ging er langsam und in schwerem Sinnen, und er hörte nicht auf den Schritt, der in den seinen trat. Nicht nur was er im »Schwarzen Stier« erfahren hatte, ein anderes noch war ihm gekommen! Ein Wort, das er als Knabe von seinem Vater vernommen hatte. Ein Graf von Orlamünde hatte derzeit von seinem Weibe wollen, um eine Schönere zu freien; aber kein Laie hatte zwischen den beiden Eheleuten den gemeinsamen Blutstropfen finden können, der fähig war, den Bund zu lösen. Da machte der Graf ein gut Teil seiner Habe zu Gold und zog nach Rom; und bald auch kam er mit heiterem Antlitz heim: zwar ohne Gold, aber mit dem Pergament des Heiligen Vaters in der Tasche, das wegen zu nahen Blutes die Ehe aufhob. »Beim heiligen Bart«, hatte Klaus Lembeck da gerufen, »der Teufel konnt es nicht; der Papst hat es herausgefunden!«
    Der Knabe Rolf hatte das Wort gehört und nicht geachtet; jetzt kam es aus der Tiefe, wo das Gedächtnis die Schätze für die Zukunft hütet. ›Und wenn dem Orlamünder, warum nicht mir?‹ rief es in ihm. ›War meiner Großmuhme Gemahl doch ein Vetter von den Schauenburgern!‹ Dann dachte er des anderen: »Wenn ich es brauchen müßte, das bricht die Kette!« rief er laut, und mit kräftigeren Schritten ging er weiter.
    Der Rabe Gaspard war auf seinen Fersen; und als nach einer Weile der Ritter sich droben aus den dichten Zweigen in die zarten Arme schwang, da war der Laurer an dem Waldrand und sah, was keines Menschen Auge hätte sehen sollen. Denn in dem Ritter war alle ungestüme Liebesnot und Hoffnung aufgesprüht; »Rolf, Rolf! Du tötest mich!« rief Dagmar, als er sie in seine Arme preßte.
    Da ließ er sie plötzlich und starrte über die Mauer in den Grund hinab. »Hörtest du es, Dagmar? Da drunten lachte was!«
    Sie aber wandte das süße Antlitz zu ihm: »Fürchtest du dich, Rolf?«
    »Ja – Dagmar; wer dich im Arm hält, muß sich fürchten!«
    »Doch nicht vor Ringeltauben! Ich hörte es auch, es kam dort aus der Buche.«
    Er warf noch einen Blick hinab, dann zog er sie auf die Bank, wo vom Weg herauf kein Auge sie erreichen konnte. Die Nachtigall hatte ausgesungen; fast keines Atemzuges Regung war in der Nacht; wie müde legte Dagmar den feinen Nacken auf seinen Arm, und ihre dunkeln Augen wollten nichts als ihn. Dämmerung war es, denn der Mond war rund und wieder schmal geworden und stand mit seiner Sichel über den Bäumen in Südost. Rolf Lembeck sah grübelnd in die Nacht hinaus.
    »Nimm! So nimm doch, liebster Mann!« hauchte das Kind und bot ihm ihre roten Lippen.
    Aber er drückte wie in Angst ihren Kopf an seine Brust: »Nicht mehr, o Süße, Selige!«
    Da lachte sie und riß das dunkle Köpfchen wieder gegen ihn auf: »Um was? So nimm doch, was dein ist!«
    Aber der Mann stöhnte, in Wonne halb und halb in Schmerz: »O Dagmar, ein Feuer ist die Minne; es soll dich nicht verbrennen!«
    Sie verstand ihn nicht; sie frug auch nicht, nur als seine Lippen jetzt flüchtig ihre Stirn berührten, klagte sie: »Das ist ja nicht der Weg zum Herzen! Zürnst du? Was hab ich dir getan?«
    »Du, Dagmar?« rief er, und seine Augen leuchteten wie blaue Sterne, »du fülltest mir das Herz mit Wonne; soll ich Todesnot in deines bringen? Hör mich, du Schöne, Unirdische! Mir ist es oft ein Wunder, daß meine Hände dich berühren können; mir ist, als seiest du mein holder Schattengeist, von dem die alten Mären sagen, zwischen Lilien aus dem Mondscheinsee zu mir emporgestiegen; mir träumt zu Nacht, daß Flügel an deinen zarten Schultern sprießen, daß du mich fortträgst, weit aus dem Wirrsal meines jungen Lebens!«
    – »O nein, nicht so, nicht so!« Flehend bat sie ihn, und ihre Hände legten sich auf seinen Mund; »du täuschest dich; ich bin nur ein Erdenkind, o Rolf, die sterben vom Hauch der Luft; ich weiß es!«
    Anbetend sah der Mann sie an.
    Da glitt sie ihm zu Füßen, ein gespenstischer Glanz brach aus ihren Augen. »O Liebster, kein Leben, kein Sterben ohne dich!«
    Er zog sie sanft zu sich herauf: »Erst leben, Dagmar! Wir zusammen – möchtest du das nicht?«
    Sie nickte nur; aber der Atem stand ihr still, als ob sie Wunder hören solle.
    – »So muß ich dich um Urlaub bitten!«
    »Urlaub?« rief sie erschreckt. »Du willst fort? – Ganz fort?«
    – »Nur auf zehn Tage, Dagmar! Am Abend nach Mariä Heimsuchung bin ich wieder bei dir!«
    »Zehn Tage! – Oh, das ist lange!«
    Er strich ihr liebkosend das lose Haar unter ihren Silberreif: »Ja, Dagmar,

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