Werke
lange! Aber ich muß zu meinem Vater!«
Sie blickte ihn plötzlich wie verwundert an. »Hast du auch einen Vater?« frug sie zaghaft.
– »Hast du doch einen, Liebste!« sprach er. »Und meiner soll uns helfen, daß ich mit ihm durchs Schloßtor zu dem deinen trete und dich zum Ehegemahl begehre!«
Ein selig Lächeln überflog das Angesicht des Kindes: »O Rolf, welch ein Glück!«
Es fiel ein Regentropfen, ein langer Donner rollte über ihnen. »Gott hat’s gehört!« sprach er.
– »Sag noch einmal«, bat sie, »wann kommst du wieder?«
Er neigte sich und flüsterte es noch einmal in ihr Ohr.
– »Gewiß?«
»Glaubst du, ich könnte den Weg vergessen?«
»Nein, nein!«
Sie waren aufgestanden, Dagmar hing an seinem Halse; aber die Donner rollten stärker, und die Blitze flammten, vom Turme herab scholl das Wächterhorn. Noch einen Kuß, noch einmal, als wie auf ewig, Brust an Brust; dann war nichts als Nacht und Wetterschein auf diesem Platze.
– – Bevor Rolf Lembeck sein Haus erreichte, war Gaspard heimgekommen, und Bericht und Anschlag waren zwischen der Herrin und ihrem Diener schon zu Ende; als der Ritter in das eheliche Gemach trat, lag Frau Wulfhild wie schlummernd auf ihrem Lager. Doch obschon sie in voller Weibesschöne dalag, ihres Mannes Augen sahen an ihr vorüber, und seine Hand griff nur nach einem Schreiben, das auf einem Tischchen lag, auf dem er seines Vaters Hand erkannt hatte. Als er es hastig aufgerissen, flog es wie Schrecken halb und halb wie Staunen über des Weibes Antlitz, und ihre Augensterne blinzten heimlich durch die Lider, denn Rolf Lembeck hatte zufrieden vor sich hin genickt. Dann streckte er sich ruhig auf sein Lager.
Einige Tage nachdem der junge Ritter seine Fahrt nach Borgsum auf der Insel angetreten hatte, saß Frau Wulfhild in ihrem Gemache. Allerlei Schriften lagen vor ihr auf dem Tische; aber ihre Gedanken schienen nicht bei solcher Arbeit; ihr seiden Blondhaar hatte sie rückwärts über die Schulter geworfen, und es glänzte wie Gold gegen das dunkle Muster der Teppiche, die an den Wänden hingen. Inmitten der schönen Stirn des Weibes war eine Falte, die immer tiefer zu werden schien; sie drängte die Augen aneinander, als könne sie sicherer so das eine Ziel verfolgen, das vor ihren Sinnen stand.
Da wurde die schwere Tür aufgestoßen. Sie fuhr empor: »Wer ist da?«
»Der Herr Schloßhauptmann von Haderslevhuus!« erwiderte der junge Bookwald, der hereingetreten war. »Ihr, Herrin, hättet seinen Besuch erbeten.«
»Er ist willkommen! – Doch warte noch, Gehrt! Rück erst den Sessel hier zum Tische!« Sie hatte sich in ihrer ganzen stattlichen Gestalt erhoben und begann im Gemache auf und ab zu schreiten, während der Knabe das Aufgetragene besorgte und sich dann entfernte.
Nach einigen Augenblicken war ein grauhaariger Mann in dunkler Tracht und von gewaltigem Körperbau hereingetreten. »Euer Gemahl, edle Frau«, sprach er, nachdem die Grüße gewechselt waren, »scheint nicht daheim zu sein; Ihr selbst wünschtet mich!«
»Mein Gemahl, Herr Schloßhauptmann«, erwiderte Frau Wulfhild, »würde zu Euch gekommen sein; Ihr müßt diesmal Euch an mir genügen lassen!«
»Wollet mich nicht beschämen, edle Frau! Ich kam, um Euch zu hören!«
Sie setzte sich und lud ihn mit der Hand zum Niedersitzen; eine kurze Weile lagen ihre Augen auf seinem Antlitz, das er geduldig ihr entgegenhielt. »Mit Klaus Lembeck«, hub sie an, »saß hier ein dänisch Weib; ich bin aus dem Geschlecht der Schauenburger; wir beide sind Landsleute –«
Er unterbrach sie: »Ein Schleswiger bin ich und jetzt des Königs Mann!«
– »Ich weiß es, Ritter; Ihr waret auf Fünen in der Schar, von der mein seliger Gemahl von seinem Hengst gehauen wurde!«
»Er war mein Feind derzeit; ich aber habe ihn nicht gefällt«, erwiderte er ruhig.
Sie schwieg einen Augenblick. »Mag sein! Ich habe den Schaden ausgeheilet und bin itzt Herrin hier auf Dorning; wir sind Nachbarn, Ritter, und also –«
»Wollet Ihr mir etwa Nachbarrat erteilen?«
– »Ei, nun, wie Ihr es nehmen wollt!« Und da er nickte: »Ihr wisset, hinter Euerem Garten, dort, wo es so jäh hinab zu Boden schießt, steht hart daran eine italische Pappel und streckt ihre Zweige an die Mauerzinnen, so dort den Garten abschließen. Man sagt, es soll dort fast achtzig Fuß in die Tiefe gehen! Was ich Euch sagen wollte... den Baum, Ihr müßt ihn fällen lassen!«
»Die Pappel?« rief der Schloßhauptmann. »Was
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