Werke
ein Weib; noch kaum ein Weib! Ein schmächtig unschuldig Ding; denn ihr Gewand war weiß, gar ungeschickt zu geheimem Minnetreiben; der Mond blitzte auf einem Silberreif, der ihr dunkel Haar zusammenhielt!«
»Und weiter? – Was sahst du weiter?« stieß der Ritter wie in Angst hervor.
– »Ich sah nichts weiter, Herr.«
Das Weib hielt den schönen Kopf in ihre Hand gestützt und sah des Ritters Antlitz sich unter seinem grauen Bart mit Todesfarbe decken. Da winkte sie dem Schreiber, und er verließ das Zimmer. »Nun, Herr Schloßhauptmann«, sprach sie leise; »werdet Ihr den Baum des Königs fällen lassen?«
Er wandte den Kopf, aber aus seinen Augen waren die Gedanken nach anderswo entflohen; er frug: »Was spracht Ihr, edle Frau?«
Und als sie ihre Worte noch einmal gesprochen hatte, frug er weiter: »Wißt Ihr von diesem Abenteuer mehr zu melden, als ich eben hörte?«
Doch sie erwiderte: »Nein, Herr; Ihr müsset nun so zufrieden sein!«
Er warf seine düsteren Augen auf sie und sprach zu sich selber: ›Was will das Weib? Denn nicht deinetwegen hat sie dich geladen; sie weiß, um wen die Pappel fallen soll!‹ Laut aber sprach er und richtete in seiner mächtigen Gestalt sich auf: »Ihr drücktet ein Beil in meine Hand! Gott mög mir raten; und mög er auch bei Euch sein, edle Frau!«
Er hatte sich gewandt und war aus dem Gemach geschritten. Unten im Hofe führte ein Knecht sein Roß umher; er rief ihn und schwang sich in den Sattel; dann suchte das Tier durch Wald und Felder sich selber seinen Weg. Ob hoch am Himmel die Lerchen sangen, ob Falken und Elstern um ihn schrien, er hörte es nicht: gleich einem gebrochenen Manne hing er im Sattel; vor seinen Augen war immer nur sein schmächtiges Kind in eines Fremden Armen, dessen Antlitz er nicht erkennen konnte.
Erst als das Roß unter den Bäumen des Schloßberges hinantrabte, fuhr er empor und zog den Zügel an. Aber er wandte sein Tier und ritt zurück, er wußte selber nicht wohin; in seinem Kopfe war zu schmerzlich Wirrsal, das er weder schlichten noch zur Ruhe bringen konnte. Es dunkelte schon, da er zum zweiten Mal heimkam und jetzt langsam in den Schloßhof einritt. – Nachts von seinem Bette, wo er mit gestütztem Kopf lag, trieb es ihn wieder auf: er fand sich plötzlich die Turmtreppe hinabsteigend; dann stand er hinten in dem Garten, den er seit Jahren nicht betreten hatte, und sah bald auf den Wipfel der großen Pappel, bald hinunter in die Tiefe. Ja, ja; sie drängte ihr mächtiges Gezweig hart an die Bergwand und oben an die Zinnen, er hatte sie lang darauf nicht angesehen; auch der König konnte dort den Baum nicht dulden!
Dann stieg er zurück in seine Kemenate und warf sich wieder auf sein Lager; als aber im Zwielicht der Ton des Wächterhorns an sein Ohr drang, sprang er auf und holte drunten selbst ein Dutzend Knechte aus den Betten. Und da die Sonne aufgestiegen war, hallten donnernde Schläge durch die Burg und rissen alle aus den Betten, die noch in Morgenträumen lagen. »Bas’! Bas’! der Feind kommt!« rief Dagmar, jäh vom Kissen fahrend; und die alte Dame lallte, noch halb vom Schlaf befangen: »Bete, Kind! Bete! Wir sind arme Frauen!« Als aber Dagmar jetzt vor ihrer Bettstatt auf den Knien lag, richtete sie sich mühsam auf und strich mit ihrer sanften alten Hand das wirre Haar von der Stirn ihres Lieblings. »Ei, Kind«, sprach sie, während die Schläge immer lauter dröhnten, »das ist die Holzaxt, es ist ja nimmer Krieg!«
Ein Rauschen wie von hundert Adlerflügeln, der Donner eines furchtbaren Sturzes machte in diesem Augenblick die dicken Scheiben des Gemaches klirren. Dagmar war totenbleich, und ihre Hand zitterte in der der Base; die aber lächelte: »Es ist ja nichts, Kind; sie haben einen Baum gefällt!«
Aber in Dagmars großen Augen stand der Schrecken. »Einen Baum? O Bas’, ich dachte, der Himmel falle ein!«
Die Base schüttelte den Kopf: »Es kam ja von der Gartenseite; hörtest du das nicht?«
Dagmar griff plötzlich nach ihren Kleidern und begann sie über sich zu werfen. »Ja, Bas’, ich glaub; ich will hinab!«
»Du töricht Ding!« rief die Base. »Was kümmert dich der Baum? Die Vögel sind ja kaum vom Nest geflogen!«
Aber das Kind, dem der Atem stockte, war selber schon hinabgeflogen; und die Alte faltete zum Morgengebet die Hände; durch das kleine Fenster fielen die ersten Morgenstrahlen.
– – Nicht lange danach trat der Schloßhauptmann in den Garten: die Dogge Heudan folgte ihm.
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