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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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er im Sommer eine von den hübschen bunten Gartenschnecken, so guckte er sie mit seinen großen braunen Augen an und sang:
     
    Tinkeltut,
    Komm herut,
    Stäk din Fi-fat-Hörens ut!
     
    Streckte der Schneck dann aber seine zarten Fühler ihm entgegen, so tippte er mit seinem kleinen Finger darauf und rief: »Lat di nich narren, Dummbart; bliev to Huus!« und warf das Tierchen in den Zaun. Flog dann ein gelber Zitronenfalter oder gar ein Pfauenauge durch den Garten, dann flog er hinterdrein:
     
    Sommervagel sett di!
    Näs un Ohren blött di!
     
    Und je länger er hinter dem Schmetterling laufen mußte, desto lauter und zorniger wurde sein Gesang; schrie er seinen Sommervagelspruch gar zu arg, dann flog wohl auch die Mutter in den Garten: »Fritze, um Gottes willen, was gibt es denn?« Dann ließ er die Ärmchen hängen und sah halb verschämt, halb schelmisch zu ihr auf: »De Dummbart wull sick ock nich eenmal setten!«, und dabei wies er auf den Schmetterling, der eben nach dem Nachbargarten hinübergaukelte. Die Mutter faßte ihrem Jungen lachend in seinen braunen Haarpull und küßte ihn ab; dann lief sie mit ihm nach dem Weidenzaun unten im Garten und schnitt mit dem Küchenmesser, das sie beim Herauslaufen in der Hand behalten hatte, ein paar frische Zweige ab: »Da hast du ein ander Spielwerk! Nun mach dir eine Wiechelflöte!« Sie putzte und kerbte ihm noch das Weidenstöcklein, und nun saß Fritz wieder lustig auf der Bank unter dem großen Birnbaum, klopfte wacker mit dem Messerstiel darauf, damit er das innere weiße Stöcklein aus der Rinde ziehen könne, und sang:
     
    Fabian, Sebastian!
    Lat de Saft ut Holt rut gan!
     
    und das so lange, bis die Flöte fertig war.
    Aber er machte auch selber Verse: eines Sonntagnachmittags kam die alte Jungfer Basch aus ihrem Stifte zum Kaffee auf Besuch, und auf ihrem grauen Scheitel saß eine schimmernd weiße Haube mit Rosataffetbändern. Die stach dem Jungen so in die Augen, daß er nur immer auf die Haube guckte. »Sag Tante Salome doch guten Tag!« ermahnte ihn Frau Line. »Tag, Tante!« sagte er und sah immer nur nach der weißen Haube mit den roten Bändern; auch als er danach auf einem Schemel in der Ecke saß, während Vater und Mutter sich mit der Schwester am Kaffeetisch vergnügten. Bald aber fing er an zu murmeln, und seine lustigen Augen lachten wie über einen Schelmenstreich. »Wat hett de Jung?« sagte die Alte, die auch gern Plattdeutsch sprach.
    »Was hast du, mein Junge?« übersetzte Frau Line, indem sie sich zu ihm wandte.
    »Dörf ick nich segg’n«, erwiderte Fritz.
    »Warum nich, min Kind?« sagte die Tante, »ick gäv di Verlöv.«
    Da sah der Junge die Alte ganz spitzbübisch an und sagte:
     
    Ros in Snee! Ros in Snee!
    Dat is Tante Salome!
     
    »Sieh so!« rief Meister Daniel, »nu hest du ’t!«
    Die gute Alte aber drohte dem Jungen halb ärgerlich mit dem Finger. »Is awer doch ’n näskloken Slüngel, jüm Fritz!« sagte sie dann und tauchte ihre Nase in die Kaffeetasse.
    »Hm!« machte Meister Daniel und griff mit der Hand in seinen schon ergrauenden Haarpull. Als aber Fritz zu seinen Kameraden auf die Gasse gelaufen war, blickte er wieder auf. »Line! Mutter!« sagte er.
    »Was denn, Daniel?«
    »Akkurat so wie ich«, erwiderte Daniel und schüttelte behaglich lachend seinen Kopf.
    »Was ist akkurat so wie du?« frug Frau Line.
    »Was? – Das mit dem Jungen! Ich saß auch einmal in seinem Alter so auf dem Schemel – es ist noch just derselbige –, da trat eine alte dicke Ostenfelderin zu meinem Vater in die Stube, und da es die Bauervögtin war, so sagte er: ›Jung, steh auf und sag schmuck guten Tag!‹ Aber ihre rot und gelb und blaue Staatsuniform und der weiße Lappen auf dem Kopf, ich hatte soviel daran zu sehen und konnte nicht mit mir einig werden, ob sie doch nicht vielleicht ein Türke wäre – bis daß ich endlich, ehe ich noch ein Wort hervorbrachte, von meinem hitzigen Vater einen hanebüchenen Backenstreich erhielt.«
    Tante Salome nickte, sie kannte die Geschichte; Frau Line Basch lachte: »Ich meinte, du hättest auch Verse gemacht, Daniel!«
    Der Alte schüttelte den Kopf: »Nein, Linchen, das ist es eben ich bekomme meinen Backenstreich und falle vom Schemel; der Fritz macht seinen Vers und läuft zur Tür hinaus.«
    Daniel sah seine Frau recht freundlich an. »Mutterwitz!« sagte er schelmisch. Und Frau Line nickte.
    Glückes genug war in Meister Daniels Hause; aber wer, der seine Zeit gelebt hat, wüßte

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