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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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alten Gärten in den unseren zu neuem Glanz verholfen. Périnette und Grand Richard, Beurré blanc und Winterbergamotte stehen in unseren Gärten jetzt, und schon seit Jahren, mit Frucht beladen ; aber bei dem Alten glänzen Stamm und Zweige wie die Rinde einer Silberweide, bei ihm muß alles sauber sein wie auf einem Schiffsdeck. Er lebt allein mit einer freundlichen und verständigen Haushälterin; aber an Sommernachmittagen, zumal des Sonntags, kommt er gern zur Kaffeestunde auf unsere Terrasse, und es stört ihn auch nicht, wenn der Südost dort einmal durch seine weißen Haare fährt. »Ich danke, Madame, den haben wir einstmals anders kennenlernen«, sagt er mit seiner gütigen Höflichkeit, wenn meine Frau eine Besorgnis um ihn kundgibt. – Nach dem Kaffee spazieren wir in unserem Garten und besehen die Fruchtbäume oder reden über unsere Nelken und Levkojen; denn darin sucht der eine dem andern es zuvorzutun, und die Sache ist nicht ohne Eifersucht.
    Wenn die Dämmerung anbricht, begleite ich ihn nach Hause, und dann reden wir von Rick – nur von Rick, denn von diesem ist das Herz ihm doch am vollsten; aber es ist auch eine Freude, über Rick zu sprechen.
    Abends ist der Kapitän zu Hause und allein, außer wenn ich einmal ein Stündchen bei ihm sitze, wo mir mein Glas Madeira-Grog niemals entgeht. Sonst liest er dann seine Zeitung, den »Hamburger Korrespondenten«, am aufmerksamsten und mit seinem Herzen die Schiffsnachrichten, denn er segelt mit jedem Schiffe, und auf einem von den allen fährt sein Rick.
    Wir hatten Glück mit dem Jungen damals, der Alte und ich; der tüchtige Sohn unseres Küsters hatte eben sein Examen auf dem Seminar bestanden, da fingen wir ihn ein, und für zwei Jahre wurde er der Lehrer Ricks. Es traf sich, daß bei beiden die angeborene Befähigung, man könnte sagen, eine wissenschaftliche Leidenschaft für die Mathematik vorhanden war. Das verband die beiderseits noch so jugendlichen Herzen, und auch in anderem mochte nun der lernfähige Schüler nicht zurückstehen. In freien Stunden streiften sie botanisierend durch Wald und Feld oder übten an den Stangen und Turnricken, die der Kapitän hinter seinem Hause aufschlagen ließ, die Gewandtheit ihrer Glieder. So wurden sie auch Freunde, und wenn jetzt Rick nach Hause kommt, der in unserem Dorfe angestellte junge Lehrer Fritz Oye ist seine erste Frage.
    Zwei Jahre war er noch auswärts auf einer Schule gewesen, dann ließ der Alte ihn konfirmieren und brachte ihn nach Hamburg auf ein gutes Schiff. Vor zehn Monaten wurde er Steuermann auf der »Alten Liebe«, die noch immer für die Lübecker Firma in See geht. Freilich, der alte Reeder meines Freundes ist nicht mehr; ein junger Vetter desselben ist jetzt Herr des Geschäftes und des alten Hauses.
    Nur eines habe ich noch zu sagen: Eben, vor einer Stunde nur, öffnete sich meine Stubentür, und unser Freund, der Kapitän John Riew’, trat zitternd und bleich zu mir herein; er legte seinen Hut auf einen Stuhl und wischte sich den Schweiß aus seinen weißen Haaren.
    »Was ist, Kapitän?« rief ich erschrocken. »Ihr seht ja ganz verteufelt aus!«
    Aber er ergriff meine beiden Hände und schüttelte den Kopf: »Vor Freude, Nachbar, nur vor Freude! God bless you, Sir! Der Junge ist Kapitän!«
    »Alle Wetter!« rief ich, »das geht ja wie der Wind!«
    »Ja, ja; hier steht’s!« Und er riß ein Telegramm aus der Tasche und hielt es mir triumphierend vor die Augen. »Sein Vorgänger starb drüben in Rio Janeiro am gelben Fieber, und nun ist er’s und soll’s auch bleiben – Kapitän der ›Alten Liebe‹! By Jove! Der junge Lübecker weiß sich seine Leute auszusuchen! – Aber – warum ich komme, Nachbar! – Sie fahren doch mit mir übermorgen?«
    »Wohin? Doch nicht nach Rio, Kapitän?«
    »Nein, nein!« sagte der Alte lächelnd, »nur nach Hamburg; denn da ankert dort im Hafen die ›Alte Liebe‹ unter dem Kapitän Rick Geyers! – O Anna, mein liebes Kind, du hast das nicht erleben wollen!«
    Er wischte sich die Augen mit seinem großen blauen Schnupftuch. »Aber heute abend, Nachbar«, setzte er, sich ermutigend, hinzu, »trinken wir beide in meiner Koje ein Steifes miteinander und – Goddam! – von meinem alten Jamaika!«
    »Topp«, rief ich, »Kapitän, ich trinke und ich fahre mit Ihnen. Hurra für unsern Jungen!«
    – – Er ging; und ich habe nichts Weiteres zu erzählen: es ist jetzt alles gut, denn wir haben die Hoffnung, freilich auch nur diese, wenn wir des

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