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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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es nicht, daß, wie das Leben, so noch mehr das Glück auf leichten Flügeln geht.
    Es war um die Frühlingszeit, und im Garten wurden die Stachelbeerbüsche grün, und die Störche kamen nach der langen Winterszeit wieder aus dem Süden, um auf den Schornsteinen der Stadt ihre alten Nester zu beziehen oder hie und da ein neues sich zu bauen. Fritz lag vor seinem Gartenstück auf den Knien und setzte seine Primeln und Veilchen schon zum dritten Mal an eine neue Stelle, da flog ein Schatten über ihm weg, und als er aufblickte, sah er einen großen Storch nach seines Vaters Dach fliegen und sich dort mit seinen langen Beinen niederlassen. »Hallo!« rief er:
     
    Adebare Esther,
    Bring mi ’n lütje Schwester!
     
    Und der Storch warf den Kopf in den Nacken und klapperte schallend in die helle Frühlingsluft hinaus; der lange rote Schnabel glänzte in der Sonne.
    Da warf Fritz den kleinen Spaten hin und klatschte fröhlich in seine Hände und rief:
     
    Adebar, swart un witt,
    Bring mi ock en Kringel mit!
     
    Die Erfüllung war näher, als er dachte; aber der Adebar kam statt mit der Windel mit einem schwarzen Flor geflogen und von Kringeln war bald eine ganze Fülle im Hause, aber es waren Totenkringel, und Fritz saß auf der Bodentreppe und aß sie unter strömenden Tränen. Das Schwesterlein war zwar dagewesen, ein kleines rotes Dings, das Fritz nur ganz von ferne anzusehen wagte; die Mutter sah so bleich aus, sie reichte ihm aus ihrem Bett die Hand und frug: »Magst du sie leiden, Fritz?« Aber Fritz schüttelte stumm den Kopf, dann lief er aus dem beklommenen Stübchen in die frische Maienluft hinaus.
    Drei Tage später stand er mit seinem Vater an einem Sarge; darin lag seine bleiche Mutter, die gute schelmische Frau Line; sie regte sich gar nicht, und ihre Augen waren ganz geschlossen; in ihrem linken Arme lag ein sehr kleines Kind, das war auch totenbleich. Wie vor einem fremden schauerlichen Wunder stand der Knabe mit verhaltenem Atem; er war eben erst sechs Jahre alt geworden.
    Tante Salome, die mit ihnen dastand, drückte ihrem Bruder die Hand. »Ja, Daniel«, sagte sie, »dat Kind hett di din Fru mit wegnamen!«
    Daniel nickte stumm und sah, wie keines Gedankens mächtig, auf seine Toten; aber des Knaben Gehirn war durch das Wort der Alten aufgestört. »Mitnamen, Vatter?« frug er leise. »Warum? Warum doch?«
    Meister Daniel blickte auf seinen Jungen, der mit erwartenden Augen zu ihm aufsah. »Das weiß nur der liebe Gott!« sagte er, und seine Lippen zitterten, »vielleicht. . . das arme kleine Ding, es hat wohl so allein nicht in die weite dunkle Ewigkeit hineingekonnt.« Dann hob er plötzlich den Knaben auf seinen Arm und legte die andre Hand auf die kalte Stirn der Toten: »Fritz – se kummt nimmer wedder, vergitt är nich!«
    – – Am andern Abend waren Mutter und Kind begraben; Tante Salome blieb ein paar Tage, bis eine Frau angenommen war, die täglich einige Stunden kam, um die Hausarbeit zu besorgen. Der alte Gesell, der in seiner Jugend einmal Schiffskoch gewesen, übernahm das bißchen Kochen, was sie nötig hatten, und Tante Salome kehrte in ihr Stift zurück.
    So ging denn der kleine Haushalt notdürftig weiter, aber es war kein so fröhlicher Gang mehr wie vorher; die Musik von Frau Lines lebensfrischer Stimme fehlte. – Wenn Fritz in seiner Klippschule saß und um neun Uhr vormittags auch die Arbeitsfrau sich entfernt hatte, dann lag das lange Vorderhaus wie ausgestorben; es rührte sich nichts mehr darin, zumal wenn dann auch zur Frühstückszeit im Pesel und auf dem Hof die Arbeit ruhte und Meister und Gesell sich auf der Schnitzbank oder den kleinen Fässern schweigend gegenübersaßen und ihr Stückchen Brot verzehrten. Es war, als ob beide nach der Stille lauschten, die vorne in dem toten Hause herrschte. Fiel dort von den Wänden etwa ein Stückchen Kalk mit leisem Geräusch zu Boden, dann flog es wohl auf einen Augenblick wie ein Leuchten über des Meisters Angesicht; war ihm doch, als sei der leichte Fußtritt seiner Line ihm ins Ohr gedrungen; aber er wischte es bald mit seiner harten Hand wieder fort. Einmal hatte sich die Nachbarskatze in die dämmerige, nach einem engen Gang belegene Küche eingeschlichen; so heimlich sie auch schlich, es kam doch ein Geräusch von da nach der Werkstatt; die Feuerzange war vom Herd gefallen. Meister Daniel ließ den Schlegel ruhen: wie oft war sie nicht auch Frau Lines rascher Hand entglitten! Wie oft hatte er sie dann neckend ihr wieder

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