Werke
Henker!« lief es sogleich die Bank hinunter.
»Was erlaubet ihr euch zu bemerken?« frug dann der etwas harthörige Alte.
Und alle riefen: »Wir wünschten Ihnen guten Morgen, Herr Kollaborator!«
»Nun«, erwiderte er, »wenn euere Fröhlichkeit aus einem guten Gewissen stammt, so sag mir einmal, Fritz Basch, wie heißt das Gerundium von pulso, ich schlage?«
Wenn aber auch Fritz mit dem Lateinischen bald in die Brüche kam, in allem andern war er doch der Baas unter seinen Kameraden. Bedurfte es zu einer Lustigkeit oder zu einem Schelmstück einer kleinen Barschaft, so winkte er seine Vertrauten in den dunkeln Raum, der zwischen ihrer oben belegenen Klasse und dem Dache lag. »Habt ihr Geld?« frug er eines Nachmittages; »sieben Schilling gebrauchen wir; ich habe zwei!«
»Nä«, sagte Hans Reimers, der dicke Schlachterssohn, der nie etwas ausgeben mochte, »ick hev nix, hev mi güstern erst ’n Meerswienbock köft.«
»Von wem hest de köft?«
»Hier, von Klaus Schohster.«
»Gut! – Klaus, wo väl hest du noch davon?«
»Dree Schilling!« sagte Klaus ein wenig beklommen, indem er das Geld aus seiner Tasche sammelte.
»Das sind fünf!« rief Fritz, »wer hett de Rest?« Aber schon kamen vier Jungenshände und reichten ihm jede einen Sechsling, und so konnte die Sache losgehn. Fritz war ihr Vertrauensmann; sie wußten, für die Sechslinge oder Schillinge, die sie ihm gaben, konnten sie sicher ihren Spaß oder Schabernack erwarten.
– – Diese Schillingsammlung war nur das Vorspiel zu einem Knabenstreiche gegen den Kollaborator gewesen; mit kleinen Schellen war dabei gebingelt und mit einer kleinen Kanone dabei geschossen worden. Alles war sehr akkurat gegangen, aber dem Alten hatte diese Lustigkeit ein Gallenfieber zugezogen; die lateinischen Stunden wurden ausgesetzt, und Fritz und seine Mitschuldigen mußten eine Woche lang jeden Nachmittag nachsitzen; die Sache wurde in der ganzen Stadt besprochen.
»Fritz«, sagte Meister Daniel zu seinem geliebten und sonst so bewunderten Sohn, »wie konntet ihr so mit dem gelehrten Manne umgehn, von dem ihr doch soviel lernen könnt!«
Aber Fritz lachte überlegen und schüttelte langsam seinen Kopf: »Lernen, Vater? – Nä, lernen nicht.«
»Was, Fritz? Nicht lernen? Warum nicht?«
»Ja, Vater« – und der Junge steckte beide Hände in die Hosentaschen –, »weil er sonst zu dumm ist!«
Der Meister fuhr seinem Fritz mit der Hand auf den Mund: »Junge, daß das die Nachbarn doch nicht hören!«, denn sie gingen miteinander an dem Gartenzaun entlang, und nebenan der Schneider häufte eben seine Kartoffeln.
Fritz war beiseite gesprungen. »Vater«, rief er, »nimm grünen Hafer und eine Buchweizenpflanze und halte sie dem Herrn Kollaborator unter die Nase! Ich wett meine drei Kaninchen, er sagt dir: Dieses ist der Rübensamen, und auf jenem wird wohl die nützliche Kartoffel wachsen!«
»Aber Fritz, das ist ja schrecklich!« sagte Meister Daniel und schob sich die blaue Zipfelmütze von einem Ohr zum andern, »und deshalb wollt ihr den armen Mann vom Leben Kaninchen, er sagt dir: Dieses ist der Rübsamen, und auf Buchweizen an? Das ist ja Bauernweisheit!«
Fritz stutzte: »Vom Leben bringen, Vater?«
»Ja, ja; es muß wohl nicht zum besten stehen, denn gestern haben sie noch den zweiten Doktor an sein Bett geholt. Denk mal, wenn seine arme Frau und seine kleine Magdalena, von der du mir so oft erzählt hast, nun ihren Vater um eueren dummen Spaß verlören! – Fritz, du hast doch wenigstens einmal eine Mutter gehabt. . .« Da aber brach dem alten Daniel die Stimme. »Und dein alter Vater. . .«, begann er noch einmal. »Besinne dich, Fritz!« Und damit trabte er ins Haus zurück. Fritz blieb allein im Garten.
Als nach einer halben Stunde der Gesell durch den Hauptsteig ging, lief er noch immer dort hin und wider, sammelte kleine Steine auf und schleuderte sie einen nach dem andern durch die Luft, daß sie wie grimmig dahinsausten.
»Hallo, Fritz!« rief Marten. »Auf wen bist du so zornig?«
»Up mi un de Welt!« brummte Fritz und schleuderte einen neuen Stein in die Luft.
»Smiet man keen Lüd dot!« sagte der Gesell und ging seiner Wege.
Aber vor dem Abendessen mußte er in die Stadt, denn Fritz war nirgend zu finden. Endlich am Hafen sah er einen Jungen im Maste eines Schoners auf der Gaffel sitzen. »Is dat uns’ Fritz?« frug er den Kapitän, der am Bollwerk stand; denn Fritz war gut Freund mit allen Schiffern und konnte fast einen
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