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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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auch der seinigen würdigte? Mit einem herablassenden Lächeln sahen mich seine scharfen Augen an; der Zug um seinen schönen Mund wollte mir nicht gefallen.«
    So stand er zu den meisten seiner Fakultät; mit mir war es ein anderes: der Mediziner und der Jurist hatten keine Veranlassung, sich aneinander zu messen, und so hatte ich denn bald herausgefunden, daß hinter jener Schwäche ein warmes und wahrhaftiges Herz geborgen sei.
    Der graue unbewegliche Mann dort, es konnte kaum Franz Jebe sein; aber was war es denn, daß meine Augen sich immer wieder unwillkürlich zu ihm wandten. Es hielt mich nicht länger, ich sprang auf und schritt langsam ihm entgegen; so mußte er doch mich erkennen, der ich über die gewöhnlichen Veränderungen während reichlich eines Jahrzehntes eben nichts erlitten hatte.
    Als ich zwischen ihn und das Stück Himmel trat, in das er wie ins Nichts hineinstarrte, wandte er, wie erschreckt, seine Augen auf mich, und ich fühlte, daß er mich erkenne; dann aber berührte er schweigend, wie zum Gruße gegen einen Unbekannten, den Rand seines Hutes und ließ plötzlich mit einer eigentümlichen Bewegung den Kopf herabsinken, die mir mit einem Mal jeden Zweifel nahm. Wie oft hatte ich dies an meinem Freunde wahrgenommen, wenn wir unter andern waren und ein Gespräch sich aufgetan hatte, von dem er nichts mehr hören wollte.
    Ich trat auf ihn zu und legte die Hand auf seine Schulter. »Franz!« rief ich; »du bist es doch; ich lasse mich nicht so leicht vertreiben!«
    Langsam erhob er sein mageres Gesicht, und wieder sah er mich an, aber ohne Hast; und bald fühlte ich die Innigkeit, mit der seine Augen an den meinen hingen. »Du hast recht, Hans«, sagte er mit einer mir fast fremden Stimme und griff nach meiner Hand; »ich weiß es wohl noch, wir hielten damals ein Stück aufeinander.«
    »Ich denke, Franz, es ist wohl noch heute so!«
    Er nickte und zog mich neben sich auf die Bank. »Du hattest mich überrascht, Hans; ich pflege hier allzeit allein zu sein; weiter war es nichts. Aber sprich, wie kommst du hierher, so weit von unserer Heimat, der du als echter Sohn eines alten städtischen Geschlechts so unerbittlich anhingst; bist du nicht mehr dort?«
    »Doch – ich habe nur eine alte Tante hergebracht, die ebenso unerbittlich dem hiesigen Brunnen zugetan ist; das sind Herzensgeheimnisse. Aber du, Franz, du hast verspielt, wie man bei uns zu Hause sagt, seit wir uns nicht gesehen haben. Bist du krank und suchst du Heilung in diesem Höllenkessel?«
    »Nun, nun«, entgegnete er; »es ist nicht alle Tage so! Ich bin nur hier, um allein zu sein, was zu Haus nicht möglich ist; und ob ich krank bin, das, mein Freund, ist so kurz nicht zu beantworten.«
    »So laß es lang sein; wir haben uns ja fast fünfzehn Jahr nicht sprechen hören!«
    »Ich fürchte, Hans«, erwiderte er, mich mit halbem Lächeln ansehend, »ich stehe wieder unter dem Bann deiner Liebenswürdigkeit; ich fühle auch: dir kann ich’s sagen, ja, ich muß es, was kein Mensch von mir weder je erfahren hat noch wird. Gehen wir nach meiner Wohnung; in meinem stillen Zimmer wird uns niemand stören, die grauen Schatten der Erinnerung können ungehindert um uns sein.«
    Er blickte mich mit ernsten, trüben Augen an: »Nur einem nächsten Freunde kann ich es erzählen; denn Freude ist nicht dabei, ich kann nur eine Last auf deine Schultern legen.«
    »So gehen wir«, sagte ich; »ich bin derselbe, den du seit lange kennst.«
    Er stand mit einer elastischen Bewegung von seinem Sitze auf, und ich sah mit Freuden, die Gestalt zum mindesten war noch fast dieselbe wie in unserer Jugend. Was mich vor allem an ihm erschreckt hatte, verschwand freilich nicht, und während wir schweigend durch die Gassen schritten, grübelte ich vergebens, was seiner einst so metallreichen Stimme einen Laut beigemischt haben könne, der mich immer wieder an den traurigen Ton einer zersprungenen Glocke erinnerte.
    Ich sollte es bald erfahren, denn schon waren wir in eins der ältesten Stadthäuser getreten, das mir Franz als sein zeitweiliges Heim bezeichnete. Sein Zimmer lag zu ebener Erde hinter einem kleinen Korridor; als wir eintraten, blendete mich fast die Dämmerung, die hier herrschte: ein paar Fenster mit kleinen Scheiben gingen auf einen scheinbar außer Gebrauch gestellten Hof, von dem die Seitengebäude jeden Sonnenstrahl abzuhalten schienen; altes Gerümpel, Zuber und Bretter und was noch sonst, lagen umher und schienen trotz der draußen

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