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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Uhr morgens taumelten wir ins Hotel. Der kirgisische Businessman hatte es sich nicht nehmen lassen, uns vor der Tür abzuliefern.
    Ich war wagemutig. Entwurzelt. Schwerhörig. Wehrlos. Leer. Betrunken. Glücklich. Ich hatte das Unbestimmte weggetanzt und war nun imstande, meinen Zustand mit Adjektiven zu beschreiben. Das stand einem Ghost gut. Obwohl ich von Adjektiven nicht viel hielt.
    Der Nachtportier rückte unsere Schlüssel heraus und sagte: »Good morning.«
    In meinem Zimmer hockte die Morgendämmerung auf dem Bett. Ich trat ans Fenster und sah nach Osten, in eine graue, helle Wolkenmasse. Vielleicht war das die Asche aus Island.
    Müde war ich eigentlich nicht. Dieses Wort konnte ich fortan aus meinem Wortschatz streichen. Ich kramte das Ladegerät aus meinem Gepäck und stöpselte mein Handy ans Stromnetz. Ein verpasster Anruf. Sopo.
    ›Leider können wir erst morgen Abend nach Batumi aufbrechen. Wano ist verhindert. Wir nehmen den Nachtzug.‹
    Auch gut. Hatte es einmal eine Kea Laverde gegeben, die Wert auf Planung legte?
    Ich rief Juliane über das Hoteltelefon an. »Schläfst du schon?«
    »Ich habe Sex mit dem Fernsehturm.«
    »Sopo hat eine Nachricht hinterlassen. Wir können ausschlafen. Abfahrt nach Batumi erst am Abend.«
    »Kea, wir sollten Tamara anrufen. Sie muss wissen, dass Clara am Leben ist!«
    »Meinst du, das ist Clara recht?«, fragte ich.
    »Scheißegal. Mir ist es recht.«
    »Dann ruf sie an.« Ich überließ Juliane dem Fernsehturm und schickte mein Notebook ins Internet. Dort loggte ich mich bei Twitter ein und suchte nach Miras Account. Ich verglich die Leute, die ihr folgten, mit denen, denen sie folgte. Erfahrungsgemäß gab es eine auffällige Schnittmenge. Da Mira 3.199 Leser hatte und selbst die Tweets von über 1.000 anderen abonniert hatte, musste ich meine Suche eingrenzen. Ich konzentrierte mich auf die 100 Personen, die seit Bestehen von Miras Konto miteinander vernetzt waren. Drei davon hatten als Standort Tbilissi angegeben. Zwei Männer und eine Frau. Die Frau bezeichnete sich als Feministin, die die Frauen des Kaukasus zusammenbringen wollte, um die bestehenden Konflikte auf die weibliche Art zu entknoten. Die Männer waren Journalisten. Einer ein Brite, der in Georgien lebte. Der andere Georgier. Ich schickte allen eine Mail, in der ich meine Handynummer angab und um Rückruf bat.
    Danach kippte ich ins Bett.
     
    Wir saßen in einem Café in der Schardeni-Straße, um ein verspätetes Frühstück einzunehmen. Es war beinahe Mittag. Mein Handy war geladen und bereit, die Verbindung zu Lia Ketschagmadse herzustellen.
    »Ich bin in Mzcheta«, sagte eine unwirsche, sehr raue Stimme am anderen Ende der Leitung. »Der Mann meiner Cousine betreibt hier ein Restaurant.« Als ich zögerte, fuhr sie fort: »Nun kommen Sie schon her! Das sind keine 20 Kilometer! Alle naselang fährt eine Marschrutka. Oder trauen Sie sich nicht, Marschrutka zu fahren?« Sie hängte ein.
    »Wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben«, sagte Juliane und lachte. »Guck nicht so gestresst.«
    »Hast du Tamara erreicht?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Sie hat geweint vor Erleichterung.«
    »Hat sie eine Ahnung, wohin Clara sich absentiert haben könnte?«
    »Darüber haben wir nicht gesprochen. Bleib cool, Kea. Wir sind mit einer Information in Vorleistung getreten. Noch dazu mit einer, die Tamara wichtig ist. Sie wird sich erkenntlich zeigen, wenn die Zeit gekommen ist.«
    »Spielst du Merlin?«
    »Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Sagt das alte China.«
    Ich trank meinen Latte aus. Lynn rief an. Ich drückte sie weg. Kurze Zeit später meldete sich eine unbekannte Nummer.
    »Ich bin Giorgi. Sie haben mir eine Mail geschrieben.« Sein Englisch war makellos. Er arbeite als Journalist für den Fernsehkanal Rustawi 2, sagte er. Habe sich längst gewundert, wo Mira steckte. »Sie hat keine Tweets mehr geschickt. Normalerweise lief ihr Account ständig mit. Sie fütterte Twitter über ihr BlackBerry.«
    »O. k.«, sagte ich und sah zu Juliane hinüber. »Wo kann ich Sie treffen?«
    »Nehmen Sie die Metro, die Saburtalo-Linie, und steigen Sie an der Station Delisi aus. Vor dem Fernsehgebäude, direkt an der Wascha-Pschawela-Avenue ist ein Straßenmarkt. Ich warte auf der anderen Straßenseite bei Schuscha. Sie verkauft Käse.«
    Ehe ich weiterfragen konnte, hatte er aufgelegt.
    »Termine, Juliane!«, sagte ich.
     
    Während Tbilissi sich überirdisch recht westlich gab und die

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