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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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von einem wilden Tier angefallen worden, das Schlimmste, was ich je gesehen habe.«
    Der Verdächtige Roger Rustum wurde mit tiefen Bißwunden in der Hüfte und inneren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht; Thomas Prokoff, der dritte Verdächtige, befindet sich mit zwei gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung nicht in Lebensgefahr. Sheriff Kendali berichtete, daß der vierte Verdächtige, Oliver Hackett, keine Verletzungen erlitt, jedoch an fortgeschrittener Tuberkulose leidet und sich in sehr schlechter körperlicher Verfassung befindet.
    Die Suche nach dem kleinen jungen, offenbar eine heimatlose Waise, die die Familie vor etwa zwei Monaten in ihrer Scheune gefunden hatte, wird heute fortgesetzt.
    Das geheimnisvolle Tier, das den Raubversuch vereitelte, konnte nicht eindeutig identifiziert werden und wurde nicht mehr gesehen, seit es aus dem Haus der Nordmeyers geflohen war, nachdem es zuvor einen Verdächtigen tödlich und einen anderen ernstlich verwundet hatte. Auf die Frage, ob es sich um einen großen, verwilderten Hund handeln könnte, antwortete der Verdächtige Rustum: »Ein Hund war es bestimmt nicht. Es war ein Ungeheuer, das direkt aus der Hölle kam.« Nach Aussage der Nordmeyers ist auch ihnen das Auftauchen des Tieres rätselhaft.
    Martin Nordmeyer hinterläßt seine Ehefrau Catherine, zwei Töchter, Victoria Woodson aus Cassius, und Renee Hegel, die hier am Ort lebt, sowie zwei Enkelkinder. Wann die Beerdigung stattfinden wird, steht derzeit noch nicht fest.
    Törichterweise gestatte ich es mir, meine Gedanken zu diesem entsetzlichen Morgen zurückwandern zu lassen, so daß ich allzu bald haltmache, um in dem kleinen Eisenbahnschuppen Unterschlupf zu suchen, der weniger als eine Meile vom Hof der Nordmeyers entfernt ist. Ich mache mir keine Gedanken über den Schuppen, überlege gar nicht, wozu er gebraucht wird; ich weiß nur, daß ich mich verstecken muß, weil ich im Augenblick die Gestalt nicht wechseln kann. Ich grabe einen Tunnel unter der Grundmauer, die nicht tief in die Erde reicht, und tauche in dem muffigen kleinen Geräteschuppen wieder auf, wo ich auf den Einbruch der Dunkelheit warten will. Der zerfetzte, klatschnasse Lumpen, der einmal Roberts Nachthemd war, schlottert mir um den Körper. Ich reiße ihn weg, verknote die Mundharmonika in einem Streifen Stoff und binde mir den um die Körpermitte.
    In dem Schuppen stehen Spaten, Schaufeln, Rechen, Spitzhacken und noch andere Werkzeuge und Geräte an die Wände gelehnt, und nicht weit von mir sehe ich einen Pritschenwagen mit eisernen Rädern und langen Hebeln obenauf. Mein Fell ist blutverklebt und so naß, daß es dampft, und der beißende Geruch nach Kreosot, der in der Hütte hängt, ist erstickend. Ich dränge das alles weg und verschließe mich dagegen, um zu schlafen.
    Voller Schrecken erwache ich vom Klang knirschenden Kieses. Der rückwärtige Teil des Schuppens ist ungeschützt von Bäumen; die nächsten stehen erst eine halbe Meile oder mehr entfernt etwas abseits vom Bahndamm. Wie habe ich so dumm sein können? Das Knirschen des Kieses wird lauter. Männerstimmen, viele. Ich husche zu dem Tunnel, den ich unter der hinteren Grundmauer gegraben habe, aber da draußen sind jetzt schon Männer, die unter dem überhängenden Dach des Schuppens vor der Sonne Schutz suchen. Rundherum stehen sie an die schattige Wand gelehnt und unterhalten sich. In ihre Stimmen mischt sich das metallische Klappern von Eimern. Ich rieche Brot, Fleisch, Obst, das nicht mehr frisch ist. Sie machen Mittagspause.
    Das Schloß an der zweiflügeligen Tür vorn im Schuppen fängt an zu klirren. Sie werden hereinkommen. Mein Kopf ist benebelt. Ich beschwöre Wut herauf, die die Nebel aus meinem Hirn ätzt, so daß ich die Beschaffenheit des Landes rundum vor mir sehen kann. Ich war nachts oft hier. Hinter dem Schuppen dehnt sich offenes Land bis zum Fluß hinunter, direkt vor der Hütte, auf der anderen Seite der Gleise, ist ein kleiner Bach, dann kommt eine Stechapfelhecke, die weit nach Süden reicht. Das Ende der Hecke liegt dem Schuppen beinahe direkt gegenüber. Ich muß vorn hinaus, wenn ich nicht über lange Zeit im Blickfeld der Männer bleiben will, die hinter der Hütte sitzen. Knirschend springt das Schloß auf, die Türflügel werden angehoben und über den Kies gezerrt. Flach zusammengekauert warte ich hinter dem eisernen Pritschenwagen und wünschte, ich könnte mich in diesem Augenblick verwandeln; aber ich kann es nicht. Ich

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