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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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einen Augenblick lang freigebe, auf und davon sein werden, ehe ich meine Konzentration bündeln und sie wieder fassen kann. Mir fängt schon an schwindlig zu werden von der Anstrengung, und ich fühle mich schwach. Ein nebelhafter Gedanke beginnt Form anzunehmen, und ich lasse die beiden umdrehen und zu meiner Höhle zurückkommen.
    Während sie sich nähern, widerstrebenden Schrittes durch das Laub trotten, konzentriert sich ein anderer Teil meines Geistes darauf, einen möglichst weitreichenden Plan zu fassen, und zugleich betätigt mein Körper verschiedene Muskeln, um sich auf eine Kraftanstrengung vorzubereiten, die mir unerläßlich scheint.
    Die beiden jungen Leute stehen jetzt am Rand der Grube vor dem umgestürzten Baum. Die Fäden ihres Geistes liegen fest in der Hand meines Willens. Mit meinem heilen Vorderlauf greife ich hinauf zum Rand der Grube.
    Helft mir’.
    Sie beugen sich herunter, umfassen meinen Lauf und ziehen mit aller Kraft, während ich mit meinem einen gesunden Hinterbein nachtrete, um aus dem Loch herauszukommen. Die beiden geben sich große Mühe, aber sie sind ungeschickt. Sie sind zwar kräftig für ihre Größe, und ich werde gewahr, daß ich ihnen befehle, sich bis zum äußersten anzustrengen. Ich lasse ein wenig locker. Es wäre zu nichts nütze, wenn sich einer von beiden verletzen würde. Sie wären mir keine Hilfe, wenn ich sie zu solcher Anstrengung zwänge, daß sie einen Muskelkrampf bekommen oder ihre Glieder so arg strapazieren, daß sie sich einen Knochenbruch zuziehen. Mein Trieb zu überleben ist gewaltig. Ich befehle meinen eigenen Reaktionen, sich ein wenig zu dämpfen. Wenigstens haben wir viel Zeit. Nur gemach. Jeder der beiden schiebt eine Schulter unter einen meiner Vorderläufe, und dann helfen sie mir auf, so daß ich auf dem gesunden Bein stehe. Es ist ein sehr schmerzhafter Prozeß, aber endlich stehe ich zum ersten Mal seit vielen Tagen und Nächten wieder aufrecht.
    Mein Kopf schwimmt vor Schmerz, und blutende Wunden öffnen sich an meinem Körper. Ich halte inne, entdecke keinerlei Schäden, die verhängnisvoll sein könnten. Die hart geballten Muskeln in meinem Lauf und in meiner Brust tun natürlich qualvoll weh, doch sie halten gut. Es ist sogar möglich, das gebrochene Bein ein wenig zu belasten, wenn der Druck senkrecht abwärts geht.
    Die jungen Leute schwanken unter meinem Gewicht, während wir stolpernd und schlürfend ihrem Wagen zustreben. Ich gebiete ihnen mit meiner ganzen Willenskraft, mein Gewicht auszuhalten, mich ja nicht fallen zu lassen, mir zu helfen, als wäre ich ein geliebter Vater. Alle Bilder, die mit den Begriffen Hilfe, Liebe, Zuneigung und Pflicht verbunden sind, und an die ich mich aus meinen Menschleben noch erinnern kann, setze ich zu diesem Zweck ein. Die beiden sprechen so gut darauf an, daß das Mädchen mir sogar Aufmunterungen zumurmelt, während sie, einen Teil meines Gewichts an ihrer Schulter schleppend, vorwärts stolpert. Die Arme dieser jungen Menschen liegen um meine Körpermitte und werden blutig von meinem Blut, während sie mich fast tragen. Es scheint in diesem Moment belanglos, daß sie nur meinem Willen gehorchen. Sie helfen, und das gibt mir ein gutes Gefühl.
    Beim Wagen angekommen, gilt es, meinen massigen Körper in den Fond hineinzuschieben, keine leichte Aufgabe. Ich danke meinem Glück, daß sie einen Rücksitz haben, daß der Wagen kein Coupe ist. Das Geschäft, mich auf den Rücksitz zu verfrachten, bedarf beinahe ebenso übermenschlicher Anstrengung, da meine Glieder steif sind und ich größer bin als ein Mensch und schon unter normalen Umständen nicht dazu geschaffen, in ein Automobil zu kriechen. Flüchtig blitzt die Erinnerung an jenen entsetzlichen Moment auf, als ich, kurz bevor der Zug aufprallte, durch die Windschutzscheibe des Wagens hinausgekrochen bin. Das Auto damals muß viel größer gewesen sein als dieses hier, oder aber die Todesangst hatte ungeahnte Fähigkeiten in mir geweckt.
    Endlich liege ich hinten in der Limousine, halb auf dem Sitz, die Schultern gegen die Lehne des Fahrersitzes gedrückt, das eine Hinterbein noch zur Tür hinausgestreckt. Wegen der starren Muskeln, die den gebrochenen Knochen stützen, kann ich es nicht richtig abbiegen, deshalb muß ich mich an der Körpermitte abknicken. Das tut weh, und es ist unbequem, aber nun ist endlich mein ganzer Körper im Inneren des Wagens. Das Mädchen schließt sehr sorgsam die Tür.
    Sobald die beiden sich vorn gesetzt haben,

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