Werwelt 02 - Der Gefangene
rutscht unter mir weg und reißt mich mit sich, und ich stelle fest, daß das Spaß macht. Ich lasse ganz locker und bleibe bäuchlings liegen, die Pfoten weit gespreizt, während die Wanderpyramide zum Fluß hinuntergleitet. Die Verlagerung des Sandes unter mir verursacht ein angenehmes Kitzeln, bis die Fahrt schließlich am Rand des Wassers endet. Ich stehe auf und schüttle mich, daß die Sandkörner im Mondlicht funkelnd durch die Luft fliegen. Ich habe eine natürliche Rutschbahn entdeckt. Ich blicke den Hang hinauf, der hell im Mondlicht steht, aber für heute Abend ist Schluß. Ich drehe mich um und laufe flußabwärts nach Hause. In dieser Nacht will keine rechte Freude in mir aufkommen. Ich werde in einer anderen Nacht hierher zurückkehren und sehen, ob mir das Spiel dann mehr Erheiterung bringt.
Beim Haus angekommen rutsche ich die Böschung des Grabens hinunter, erfüllt von der heimlichen Hoffnung, daß das kleine Mädchen da sein wird; aber die Hängematte auf der Veranda ist leer. Nein, sie schläft in ihrem Zimmer. Ich richte mich auf und trotte im Schatten der Balsampappeln zum Garten hinüber.
»Da bist du ja, du freche große Miezekatze«, flüstert ein dünnes Stimmchen aus dem Dunkel hinter dem Stamm des Baumes. Überrascht springe ich zur Seite, dann lasse ich mich auf alle Viere fallen und hocke mich nieder. Ich bin tatsächlich glücklich, sie in ihrem weißen Nachthemd zu sehen. Die schmalen Arme umschließen jetzt meinen Hals, und ihr Atem streift mein Ohr.
»Beinah wäre ich ohne dich wieder ins Bett gegangen, große Miezekatze«, sagt sie leise und drückt mich fest. »Darf ich ein Stück auf dir reiten?«
Hör zu, sage ich zu ihr, nachdem sie auf meinen Rücken geklettert ist, ich weiß eine herrliche Sandrutschbahn, die so hoch ist wie der Mond und bis zum Fluß hinunterreicht. Hast du Lust, es mal zu versuchen?
Pfeifend kam Barry aus dem Bad. Er schlürfte, als er seinen Kaffee trank, um Renees Aufmerksamkeit zu erregen.
»Ich hab heut einen Sonderauftrag, Liebes«, sagte er und band seine Krawatte. »Ich fahr’ nach Isleta runter und mach da eine Reportage, die am Sonntag in einer Woche in der Sonderbeilage über New Mexico erscheint. Es geht um die indianischen Kinder, die von ihren Stämmen ausgestoßen werden.«
»Das ist ja toll, Barry«, erwiderte Renee, während sie ihm einen Berg Rührei auf den Teller häufte. In Gedanken war sie bei der Einkaufsfahrt, die sie am Nachmittag mit Mrs. Ahern machen wollte, versuchte, im Geist das Geld einzuteilen, das Barry ihr dafür gegeben hatte.
»Drum komme ich heute Abend erst spät zurück, vielleicht sieben oder acht. Okay?«
»Was? Sieben oder acht was?«
»Renee! Ich gehe zur Fremdenlegion und komme erst in sieben oder acht Jahren zurück. Was hältst du davon?«
»Hauptsache, du achtest darauf, daß dein Herz rein bleibt und dein Körper sauber«, erwiderte sie und tätschelte ihm den Kopf. »Ich hab’ gerade an meine Einkäufe gedacht.«
»Ja, hm, jedenfalls komme ich heute Abend spät, weil ich für den Bericht recherchieren muß. Frank kam gestern ganz einfach auf mich zu und erklärte, ich wäre der ortsansässige Fachmann für Indianerfragen, also sollte ich mal ruhig den ersten Teil von der Serie machen. Und es besteht die Chance, daß auch noch andere Blätter sie bringen. Was sagst du dazu?«
»Großartig«, versetzte Renee und blieb mitten in der Küche stehen, den Bleistift über dem Block gezückt. »Brauche ich jetzt Oregano oder Thymian?«
»Prima ist das«, erklärte Barry und begann zu essen.
»Mina!« rief Renee, als die Kleine sich die Augen reibend in die Küche tappte. »Du bist ja voller Sand. Hast du etwa im Nachthemd draußen gespielt?«
3
Der staubige kleine Model-A hustete und schüttelte sich, als Barry den Schlüssel herauszog, donnerte wie einen letzten Fluch noch eine krachende Fehlzündung in die Luft und war still. Im Garten war es kühl und schattig. Die Sonne hing schon tief am Horizont und war hinter der Grabenböschung verschwunden. Einen Moment lang blieb Barry in seinem Wagen sitzen und wartete darauf, daß Renee und Mina aus dem Haus stürzen würden. War das ein Tag gewesen! Wo blieben die beiden? Sie mußten dem Helden doch ein gebührendes Willkommen bereiten! Verflixt!
Er stieg aus dem Auto und lief zur Küche.
»Renee!« rief er, die Augen zusammenkneifend. Er trat durch die Tür, doch in der Küche war niemand. »He! Wo seid ihr denn alle!«
Nachdem er ungläubig in
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