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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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hatten der Mann und die Frau Geschlechtsverkehr auf dem Boden. Ich stellte Barry zurück, der schreiend und tobend aus mir hervorbrechen will, stoße ihn so hart zurück, daß sein Bewußtsein sich in meinem Geist verliert. Ich schnüffle herum, spüre jedem seiner Schritte nach. Er scheint in großer Eile gewesen zu sein, da ich nur eine einzige Spur finden kann. Er kam ins Haus, setzte sich, stand auf, lief ins Schlafzimmer, dann in die Küche, schließlich mit der Frau und dem kleinen Mädchen durch die Hintertür hinaus. Draußen vor dem Haus kann ich nur feststellen, daß die Geruchsspuren dort versiegen, wo sie alle in ein Automobil eingestiegen sind. Und einem Automobil kann ich nicht nachspüren. Dieses Gas, das die Maschinen ausstoßen, hat einen tödlichen Geruch.
    Ich forsche im Garten, entdecke eine frische Fährte von Mina, folge ihr zu der Balsampappel, wo die Kleine, wie ich feststelle, die Hände um den Baumstamm gelegt hat. Ein durchdringender Gestank nach billigem Parfüm überdeckt dort alles. Ich spüre ihm nach. In einem Astloch, das die Insekten zu einer kleinen Röhre im Baumstamm ausgehöhlt haben, liegt ein Fetzen nach Flieder duftenden Schreibpapiers, das Renee von ihrer Nichte geschenkt bekommen und an Mina weitergegeben hat. Ich schiebe eine Pfote in die schmale Öffnung, packe das Papier, ziehe es heraus, doch hier draußen ist es zu finster, um zu lesen, was darauf steht. Ich nehme das Papier mit in die Küche und entfalte es. In kindlichen Druckbuchstaben steht da: ›Liebe große Miezekatze, mein richtiger Papa ist gekommen. Bitte hol uns. Mina Golden.‹
    Obwohl ich am liebsten alles kurz und klein geschlagen hätte in meiner ohnmächtigen Wut, laufe ich knurrend wieder in den Garten hinaus, um noch einmal nach Spuren zu suchen. Ich kann aber nur feststellen, daß die Reifen des Automobils noch ziemlich neu und größer waren, als es die an Barrys Auto sind. Und einen Geruch entdecke ich, einen Maschinengeruch, den ich nicht identifizieren kann. Deshalb wecke ich Barry in meinem Inneren, um ihn danach zu fragen. ›Das ist hydraulische Bremsflüssigkeit‹, sagt er aus tiefsten Tiefen.
    In diesem Moment biegen, aus Richtung der Stadt kommend, Scheinwerfer um die Ecke. Ich springe ins Gebüsch des unbebauten Grundstücks neben dem Haus. Das Auto hält vor Barrys Haus an, und ich erstarre, zum Angriff bereit. Mein ganzer Körper zittert vor gespannter Angriffslust, meine Nackenhaare sind gesträubt, mein Maul wie ausgedörrt. Ich hoffe aus tiefstem Herzen, daß er etwas vergessen hat und zurückgekommen ist. Nur eine Chance, sage ich mir, alle meine Sinne auf die sich öffnende Wagentür gerichtet. Ich bin bereit.
    »He, Barry?« ruft der hochgewachsene, magere Mann, als er aus dem Wagen springt.
    Auf der anderen Seite steigt eine kleine, rundliche Frau aus.
    Es sind Frank und Judy Rossi. Ich husche über das dunkle Grundstück zur Grabenböschung, weiter zur Hausecke, ziehe mein Bewußtsein zu einem winzigen Punkt zusammen.
    Ich verwandle mich.
    »Hier, Frank«, rief Barry und stieg durch das Gebüsch, um zur Vorderseite des Hauses zu kommen. Die Rossis legten Barry jeder einen Arm um die Schultern und gingen mit ihm in die Küche.
    »Bist du ganz sicher, daß sie nicht einfach bei irgend jemandem zu Besuch sind?« fragte Frank, während er sich umsah. »Hier schaut doch alles ganz normal aus.«
    »Es war ihr geschiedener Mann«, erwiderte Barry stumpf und ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen. Er spürte, wie sich plötzlich die ganze Müdigkeit des Tages auf ihn senkte.
    »Woher weißt du das, Barry?« fragte Judy Rossi. Sie hatte noch immer ihre Hand auf seiner Schulter und streichelte ihn leicht, ohne sich bewußt zu sein, daß ihre Hand sich bewegte. »Hat sie einen Brief hinterlassen?«
    »Mina hat mir etwas geschrieben«, antwortete er und deutete auf das zerknitterte Papier auf dem Küchentisch.
    »Ach, sie kann schon schreiben«, rief Judy, als sie den Brief nahm. »Dabei ist sie doch erst sieben, nicht wahr?«
    »Was meint sie damit – liebe große Miezekatze?« fragte Frank, der seiner Frau über die Schulter blickte. Sein langes, ernstes Gesicht hing wie ein Fragezeichen im Licht der Küche.
    »Sie hat einen Phantasiefreund, den sie die große Miezekatze nennt, und sie scheint den Brief für ihn hinterlassen zu haben.«
    »Eigenartig, daß sie Zeit hatte, einen Brief zu schreiben, und Renee nicht«, meinte Frank und sagte, »aua«, als seine Frau ihm auf den Fuß

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