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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Höhle verstreut lagen, die Überreste der Menschen, die dort vor hundertdreißig Jahren niede r gemetzelt worden waren. Albert lebte. Er war entweder sehr mutig oder sehr verzweifelt, daß er es wagte, an di e sem Ort rastloser Geister nächtliche Ruhe zu suchen. Bo wußte, wie verzweifelt dieser Mann sein mußte. Die Nav a jos nämlich hatten eine beinahe unüberwindliche Furcht vor der Nacht, und vor den Toten haben sie solche Angst, daß sie häufig ein Haus verlassen, wo ein Verwandter g e storben ist. Lieber ziehen sie anderswohin, als mit dem Geist zu leben.
    Alberts Atem kam in kurzen, unruhigen Stößen. Er schlief nicht, wie Bo jetzt gewahrte, sondern hatte sich z u sammengekrümmt, um sich warmzuhalten, wahrscheinlich beinahe zu Tode geängstigt an diesem unheimlichen Ort.
    Bo ließ seinen ätherischen Körper über die Lippe der Höhle hinaustreiben und versuchte zu sehen, auf welchem Weg Albert diese fast senkrechte Wand erklommen hatte. Hier und dort war ein schmaler Sims oder eine kurze Fel s nase, wo ein Mensch Halt finden konnte, doch fast die g e samte Höhe der Wand schien es nur kleine Löcher und Ri s se zu geben, in denen sich selbst ein Vogel nur mit Mühe hätte halten können.
    Er wußte jetzt, wo er zu suchen hatte. Morgen würde es für die Suchmannschaft einfach sein. Die Lösung dieses Problems in seinen unirdischen Händen, verspürte Bo E r leichterung. Nun konnte er sich wieder dem Tier zuwenden und seiner Suche nach Lilly. Bei dem Gedanken spürte er ein brennendes Verlangen, sie jetzt, wo er dem Ziel so nahe war, zu finden. Ungerufen schoß ihm ihr Name in den Sinn, sprang ihm über die Lippen, und augenblicklich hatte er das beinahe körperliche Gefühl, nach hinten zu kippen und an der Steilwand dieser schrecklichen Felshöhe hinu n terzustürzen. Kreiselnder Schwindel riß seinen Geist ause i nander, die Schwärze schloß sich donnernd um ihn. Angst umhüllte seinen ätherischen Körper wie eine Aura der Ve r dammnis, die jene Dämonen aus allen Dimensionen he r vorlockte. Wie Haie umwimmelten sie ihn, während er in die Finsternis stürzte, auf den ersten Biß wartete und z u gleich versuchte, seinen Geist zusammenzuraffen, seinen Namen auszusprechen in diesem Wirbel der Unendlichkeit, wo die Fragmente seines Wesens wie Trümmer in die Tiefe geschleudert wurden.
    Während ich den Pfad zum Grund der Schlucht hinunter t rabe, frage ich mich, was für Motive mich treiben. G e wiß möchte ich Barry und seinen Freunden helfen, diesen I n dianer zu finden, doch ich fühle, daß mich mehr als ein altruistischer Impuls in die Dunkelheit hinauszieht. Die Zeit drängt mich, als wäre ich ein Mensch, der in letzter Minute durch den Bahnhof hastet, um einen Zug zu erre i chen. Ich erinnere mich nicht, je in meinem Leben ein so l ches Drängen verspürt zu haben.
    Unversehens weht mir ein Duft in die Nase, ein Duft, der so eindringlich und so schön ist, daß ich vergesse, auf den Weg zu achten, daß ich stolpere und in einer Wolke von Staub und Geröll den Hang hinunterrolle. Zum Stil l stand gekommen, rappele ich mich hoch und spüre in die Dunkelheit, diesen Duft wiederzufinden. Ich trabe jetzt die sanfteren Hänge am Fuß des Felsens hinunter. Ah, da ist er wieder – ein Faden absoluter Süße. Ich muß anhalten, den Kopf heben, diesen Duft auskosten. Er ist schwül und doch wild, wie mein eigener Geruch, ve r dichtet jedoch zu einer beinahe greifbaren Strähne, wie eine warme Strömung im kalten Wasser eines Gebirgssees. Ich kann nicht feststellen, aus welcher Richtung er kommt, doch der Wind bläst sac h te stromabwärts, er muß also von dort oben kommen.
    Ich laufe im Zickzack über den sandigen Boden der Schlucht und spüre den Nuancen dieses Dufts nach, um zu seinem Ursprung zu gelangen. Doch es ist eine sonderbar flüchtige Spur. Nachdem ich bei meiner Durchquerung des Tals drei- oder mehrmals die feinen Duftschleier gekreuzt habe, wird mir klar, daß es fast unmöglich sein wird, eine direkte Fährte aufzuspüren. Der Duft hat sich von einer Quelle her, die vielleicht weit stromaufwärts liegt, ausge b reitet und hängt jetzt in mehreren Bahnen in der Nach t luft, hauchzartes Gewebe, das im Wind flattert, unsichtbar und dennoch unverwechselbar in seiner Berührung. Ich lausche und sende meinen Raumsinn aus. Nächtliches L e ben – vor mir hockt eine Eule in einer Balsampappel, Schafe und Siedlungen befinden sich nicht innerhalb meines Wah r nehmungsbereichs, doch ein paar

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