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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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wußte, typisch war für das Sehen ohne Augen. Seine Aufmer k samkeit richtete sich auf seinen Gefährten, doch er sah, daß Barrys Decke leer war. Langsam stieg er in die dunkle Luft hinauf und sagte den Namen der Indianerin kraftvoll vor sich hin.
    Ein Teil seines Geistes beschäftigte sich neugierig mit dem anderen Mann, doch dann schreckte ihn die Richtung seines Flugs auf. Anstatt, wie er erwartet hatte, jenen Weg zurückzufliegen, den er und Barry gekommen waren, schwebte er über den Rand der Schlucht und glitt an der im Mondlicht schimmernden Felswand entlang schnurgerade abwärts. Konnte sie so weit in der Tiefe des Canyons sein? Sein leuchtender Körper tauchte in die Finsternis der Schlucht, als wäre er ein Bewohner des Meeres, der seine Schwimmkraft verloren hatte und nun auf den Grund des Ozeans hinuntersank. Wieder sprach er den Namen der Frau, um die Reise zu beschleunigen, doch sein Flug wurde nicht schneller, sondern verlangsamte sich merklich. Und dann wußte er, warum: Direkt unter ihm befand sich das blau-graue Tier. Es lag unter einem Baum, aufmerksam, aber reglos. Sie ist also in dieser Gestalt die Schlucht h e runtergekommen, dachte er, während er über der großen, schwanzlosen Katze schwebte. Warum? Warum ist sie hierher gekommen?
    Er konnte sich ihr nicht mitteilen. Er hatte es schon fr ü her versucht, doch ohne Erfolg. Doch er konnte sie be o bachten und vielleicht erfahren, was sie hierher geführt hatte. Bo nahm die sanfte Glut wahr, die das Tier umfloß. Es war seine Aura, die er sah, den Glanz des Lebens, der es umgab wie ein Heiligenschein. Bo ließ Ruhe einkehren in seinen Geist, dachte keinen Gedanken, um nicht von di e sem Ort fortgetrieben zu werden. Er würde herausfinden, was dieses Geschöpf hierher geführt hatte. Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit der Konfrontation und der Lösung.
    Doch der ätherische Körper ist keine stabile Kraft in der Welt der Materie, und es machte Bo Mühe, einfach zu wa r ten. Er konnte seinen Geist nicht ruhighalten und gewahrte, daß er nicht nur im Canyon auf- und niederschwebte, so n dern gefährlich nahe daran war, überhaupt aus dieser Welt fortzutreiben. Das aber fürchtete er mehr als jede andere Gefahr, der er je ins Auge geblickt hatte, mehr noch als die Drohung des Todes, und krampfhaft bemühte er sich de s halb, seine Gedanken auf die Indianerin gebündelt zu ha l ten. Das Tier lag unter ihm, als bedeutete die Zeit ihm nichts, und schließlich sagte sich Bo, daß er sich entweder entfernen oder in seinen irdischen Körper zurückkehren mußte. Es schien zu gefährlich, hier verweilen zu wollen, wo seine Gedanken sich ständig der zuwenden wollten, die er suchte.
    Ein Schwall heißer Scham überschwemmte ihn plöt z lich. Er hatte den Mann vergessen, den sie den ganzen Abend gesucht hatten. Er konnte den Indianer finden, i n dem er schlicht und einfach seinen Namen aussprach. Doch noch ehe er das tun konnte, schoß ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. Was, wenn Albert Chee tot war und die Nennung seines Namens ihn -Bo – in die Finsternis zw i schen den Welten hinausschleuderte, wo raubgierige G e schöpfe nach verlorenen Seelen lechzten? Er hielt sich über dem Tier, das so friedlich wie eine echte Großkatze im Sand lag, die nichts anderes im Sinn hatte als ihre nächste Mahlzeit. Ohne sich weitere Gedanken zu machen, sprach er den Namen: Albert Chee.
    Gott sei Dank, dachte Bo, als er fühlte, wie sein äther i scher Leib emporstieg und mit wachsender Geschwindi g keit durch die Schlucht flog – in die Richtung, aus der er und Barry gekommen waren. Der Mann mußte also noch leben. Aber wie konnte er in dieser Richtung sein? Bo war ang e spannt bis ins letzte, ständig gefaßt auf eine plötzliche Wendung, die den Sturz ins Reich der Toten anzeigen konnte, doch er trieb leicht und ruhig durch den Canyon, in den jetzt das Mondlicht hereinfiel. Die Wände wurden h ö her, als er dem Lager entgegenflog, wo er früher an diesem Abend schon einmal gewesen war, und er erkannte die jähe Felswand, in der sich die Höhle des Todes befand. Natü r lich, dachte er, während er aufwärtsglitt und das Tal weit unten zurückblieb. An der Lippe der Höhle, die tatsächlich einem gähnenden Mund mit wulstiger Unterlippe ähnlich war, hielt er inne und konnte das Leuchten einer menschl i chen Aura sehen.
    Albert Chee lag zusammengekrümmt in der hintersten Ecke, abseits von den weißen Gebeinen und Schädeln, die im Hintergrund der

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