Werwolf-Hölle
täuscht, werden sie bald eure Lichtung erreicht haben.«
»Okay, dann erwarten wir sie.«
»Wir melden uns, John.«
»Gut.«
Winston Taylor saß einfach zu dicht neben mir. Er hatte zuhören müssen. Als ich das Gerät wegsteckte, drehte er den Kopf und starrte mich an. Seine Augen waren groß geworden. Ich glaubte nicht, daß Angst darin lag, aber schon ein gewisses Mißtrauen. Zudem hatte er die Stirn gekraust.
»Sie sagen ja nichts, Mr. Taylor.«
»Tja, ich bin... naja, ich bin überrascht. Ihr Kollege sprach von mehreren Tieren.«
»Richtig.«
Taylor schlug gegen den Gewehrlauf. Er hatte die Waffe neben sich gestellt und gegen die Brüstung gekippt. »Ich will mich nicht loben, aber ich bin ein recht guter Schütze. Das Gewehr ist mit einer Zieloptik für die Dunkelheit ausgerichtet. Da denke ich schon, daß ich den einen oder anderen Wolf abknipsen kann.«
»Ihr Gewehr ist geladen?«
»Klar. Welch eine Frage.«
»Ich habe sie nicht grundlos gestellt. Werwölfe kann man nur mit geweihten Silberkugeln töten.«
Er starrte mich an, und sein Mund blieb dabei offen. »Ja, davon habe ich gehört.«
»Es stimmt auch.«
»Sorry.« Er schlug gegen seine kalte Stirn. »Ich komme mir noch immer etwas vor wie im Film. Naja, ist egal. In diesem Fall hier sind Sie der Fachmann.« Er schaute hinab auf die Lichtung. Wenn Ihr Kollege recht hat, dann müßten die Wölfe hier in den nächsten zwei Minuten erscheinen, denke ich mal. Vorausgesetzt, sie haben keinen Umweg gemacht, aber das glaube ich nicht.«
»Warten wir es ab.« Um besser sehen zu können, hob ich wieder mein Fernglas an. Ich konnte um einiges besser sehen, dafür sorgte der Restlichtverstärker, und wieder nahm ich die Umgebung als geisterhaftes Gebilde wahr. Das Gras, das Unterholz und die Baumstämme schienen mit einer silbrigen Schicht bestrichen worden zu sein. Alles lag da in absoluter Ruhe. Nichts bewegte sich.
Der Wald schwieg. Die Lichtung tat es ebenfalls, und wir warteten auf das Auftauchen der Wölfe, was sicherlich auch nicht lautlos über die Bühne gehen würde. Sie waren keine Geister, die als feinstoffliche Wesen durch den Wald glitten.
Auch Taylor schaute durch sein Glas. Er hatte bisher recht still neben mir gesessen, was sich nun änderte. Unruhig rutschte er auf dem Hochsitz hin und her. Er spähte über die Lichtung hinweg, seine Lippen bewegten sich, doch er sprach so leise, daß ich kein einziges Wort verstand. Abgesehen von einigen gezischten Flüchen, die wahrscheinlich den Werwölfen galten, die sich noch immer nicht blicken ließen.
Wir sahen sie nicht, aber wir hörten etwas. Auf Grund der Stille waren selbst leise Geräusche gut zu vernehmen. Vor uns, am Rand der Lichtung klangen die Geräusche auf. Da war ein Knacken zu hören, das über den Rasen hinwegwehte. Dazwischen ein leises Rascheln, und ich richtete das Glas so, daß ich auf das Unterholz sehen konnte.
Dort sah ich auch die erste Bewegung!
Das Zittern der dünnen Zweige war sicherlich nicht durch den Wind verursacht worden. Vom Wald her waren sie berührt worden, und ich sah plötzlich etwas Kompaktes dazwischen erscheinen, das sich noch bewegte, dann aber still stand.
Neben mir fluchte Taylor leise. Danach lachte er. »Ja, verdammt, das sind sie, Sinclair. Ich... ich... habe sie gesehen. Zwei sogar.« Es war gut möglich, denn er schaute in eine andere Richtung. »Und Füchse sind das nicht. Da kenne ich mich aus. Ich glaube, wir haben sie.«
»Abwarten und bleiben Sie ruhig.«
»Das sagt sich so leicht.«
»Ruhe!« zischte ich. »In der Stille kann man uns verdammt weit hören.«
Er hielt tatsächlich den Mund. In den folgenden Sekunden konzentrierten wir uns auf den Waldrand, wo sich wieder alles beruhigt hatte. Man durfte nicht annehmen, daß die Tiere dumm waren.
Sie wußten, daß sie auf der Lichtung ohne Deckung waren und warteten zunächst ab, um die Lage zu sondieren.
Ich sah den Wolf nicht mehr. Wahrscheinlich hatte er sich geduckt und eine gute Deckung gefunden.
Und dann tauchte er wieder auf.
Sein Körper schob sich vor. Er glitt durch das Unterholz. Diesmal hatte er sich tief geduckt. Ich behielt ihn im Blick, und er war auch der erste, der vorsichtig auf die Lichtung trat.
Er wirkte angespannt. Ich sah ihm an, daß er nach der Gefahr suchte. Ob er uns schon bemerkt hatte, wußte ich nicht, aber er war von Natur aus mißtrauisch. Ich konnte mir auch vorstellen, daß wir es hier mit einem Leitwolf zu tun hatten, der zunächst die
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