Werwolf-Hölle
getroffen.
Beide zuckten wir zusammen. Suko hielt den Rover an und warf mir einen Blick zu.
»Ein Ast war das nicht«, sagte mein Freund und schaute zum Wagendach.
Im Moment hörten wir nichts. Wenn etwas auf das Autodach gefallen war, dann mußte es abgerutscht sein. Ich glaubte nicht daran, daß es sich dort oben hatte halten können.
»Ich schaue nach.«
Suko nickte und sah, wie ich die Tür aufstieß. Ich stieg noch nicht aus dem Fahrzeug, sondern spähte in die Runde.
Vor mir zog sich die Böschung in die Höhe. Sie bildete die schräge Ebene, auf der allerlei wuchs und die auch als Versteck dienen konnte.
»Nichts.«
»Bei mir auch nicht«, meldete Suko.
»Okay, dann...« Ich gab mir einen Ruck und verließ den Rover endgültig.
Daneben blieb ich stehen, drehte den Kopf und auch meinen Körper, so daß ich auf das Dach schauen konnte.
Genau dort saß der Wolf!
Ich hätte damit rechnen müssen, aber ich hatte nicht mehr daran gedacht. Und deshalb fuhr mir auch der Schreck in die Glieder. Das Tier glotzte mich aus seinen kalten Augen an. Sein Fell war nicht mehr struppig, sondern naß. Es klebte zusammen, und auch Blätter und kleine Zweige hatten sich darauf verteilt.
Die Zeit des Schweigens dauerte meinem Freund Suko zu lange. »He«, klang seine Stimme im Fahrzeug auf. »Was ist da?«
»Ein Wolf.«
***
»Wo?«
»Auf dem Dach.«
Ich hatte nur die Lippen beim Sprechen bewegt und ansonsten kein Wort gesagt. Das Tier war nicht ohne Grund auf das Autodach gesprungen. Es mußte so etwas wie ein Wächter oder Aufpasser sein, der uns aufhalten wollte.
Beim ersten Hinschauen hatte ich die geschlossene Schnauze gesehen. Es änderte sich, denn das Tier riß die Schnauze weit auf und präsentierte mir sein Gebiß, zwischen dem wie ein starrer Lappen die verdammte Zunge lag. Vor der Schnauze dampfte der Atem. Die Augen ließen mich nicht los, und dann stemmte er sich ab.
Es war mein Glück und sein Pech, daß er die Glätte des Autodachs unterschätzte. So kam er nicht richtig weg. Seine Pfoten rutschten zur Seite, und ich hatte Zeit, mich zu ducken. Als er sprang, befand ich mich schon in der Hocke, und er war auch nicht mehr in der Lage, seinen Winkel zu korrigieren.
Das Tier verfehlte mich. Es hatte soviel Schwung, daß es mit seiner Schnauze gegen die Böschung prallte und dabei auch das lichte Unterholz durchbrach.
Der Wolf schlug mit den Läufen um sich, um Halt zu finden, was ihm aber nicht gelang. Und so rutschte er wieder nach unten.
Ich stand inzwischen und hatte auch meine Waffe gezogen, aber das Tier griff mich nicht mehr an. Es hatte es geschafft, wieder Halt zu finden, drehte sich nach rechts und huschte an der Böschung entlang laufend und rutschend weiter. Sehr bald war der Wolf verschwunden.
Ich blieb noch mit gezogener Waffe stehen und drehte den Kopf in die verschiedensten Richtungen. Der graue Körper des Wolfes hatte sich der ebenfalls grauen Umgebung angepaßt. Ich sah nichts mehr von ihm. Aber wir waren gewarnt.
Ich stieg wieder in den Rover. Auch Suko hielt seine Beretta gezogen und hatte sich losgeschnallt.
Ich zerrte die Tür wieder zu. »Fahr weiter.«
Suko zögerte. »Warum hast du nicht geschossen?«
»Ich wollte niemand warnen.«
»Das wird der Wolf schon erledigen.«
»Warten wir es ab.«
Als Suko den Motor startete, sagte er: »Jedenfalls gehe ich davon aus, daß wir es nicht mehr weit bis zur Ruine haben. Dann auf zum letzten Rest.«
So einfach war es nicht. Die Reifen drehten durch, und Suko mußte sehr vorsichtig mit dem Gas umgehen, damit sich der Rover endlich in Bewegung setzte.
Wir kamen weiter. Und endlich sahen wir das, was man als die Ruine von Winter’s Castle bezeichnete.
Der Platz vor uns war mit Unkraut bewachsen, ansonsten jedoch frei. Zur Ruine gehörten zwei Gebäude. Rechts und links von uns standen sie braungrau und naß wie Denkmäler.
Links ragte eine Mauer auf. Jenseits davon fiel das Gelände recht steil ins Tal hin ab. Dort unten irgendwo mußte auch Tidebrock liegen. Die Mauer war nicht mehr ganz. Lücken klafften darin wie in einem schlechten Gebiß. Efeu und andere Rankengewächse hatten sich ausbreiten können. Auch der Dunst war hier oben nicht so stark.
Ich war wieder als erster ausgestiegen und merkte sofort den kälteren Wind, der gegen meine Kleidung fuhr. Die Jacke war dick und gut gefüttert; zu frieren brauchte ich nicht. Mit langsamen Schritten näherte ich mich der Mauer. Sie war so hoch, daß ich nicht darüber
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