Werwolfkind (German Edition)
mache die Tür auf.«
Der Mafioso hatte zuletzt mit der Sprache herausgerückt, der Marchese würde zwei Wölfe, wahrscheinlich Werwölfe, unterirdisch gefangen halten und für seine Zwecke einsetzen. Der Mob hinterfragte das nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht.
Ein Mann aus San Clemente sperrte die Zellentür auf. Die zwei Mafiosi hatten eingehende Instruktionen von Don Fabiano erhalten. Der schlaue Don hatte ihnen gesagt, wenn die Werwölfe nicht in der Zelle wären, sollten sie sich dort genau umschauen, die Zelle durchsuchen und nach einer Botschaft von Benito suchen. Schließlich hatte der Don Fabiano schon einmal einen Kassiber geschickt.
Die Werwölfe sollten sterben, auch die Mafia war hinter ihnen her. Wenn sie nicht in dem Verlies starben, dann eben woanders. Don Fabiano hatte genug von der Wolfsbrut.
Raimondo und sein Gefährte betraten die Zelle. Zwei Männer aus San Clemente folgten ihnen.
Da ertönte ein Knurren. Die Streu flog zur Seite, Erdklumpen spritzten weg. Die beiden Werwölfe hatten sich je ein Loch in den gestampften Lehmboden gewühlt und gegraben. Das hatten sie immer getarnt, so dass es Adolfo, der sie mit rohem Fleisch fütterte, nicht auffiel.
Jetzt hatten sie sich versteckt, als die Gefahr nahte. Sie brachen hervor. Geschockt schrien die Männer beim Anblick der zwei Ungeheuer auf. Zottig, mit glühenden Augen und bleckenden Reißzähnen rasten die Werwölfe los. Die Männer sprangen zur Seite, rempelten sich an und behinderten sich gegenseitig.
Auch Raimondo und der Schnurrbärtige waren so überrascht, dass sie das Schießen vergaßen. Keiner wollte vom Werwolf gebissen werden. Die Werwölfe, große, schaurig anzusehende Bestien, waren blitzschnell. Sie drängten sich durch die Menge wie ein herausschießender Sektkorken aus dem Flaschenhals.
Als der Schnurrbärtige dann doch einen Schuss abfeuerte, verfehlte er Benito und traf stattdessen einen Mann aus San Clemente mit der Silberkugel in die Hüfte. Der Verletzte brach mit einem Aufschrei zusammen.
Benito und Beatrice rasten den Gang entlang, durch die Kellergewölbe und die Treppe hinauf. Benito drückte mit seiner Pfote die Türklinke nieder, und ab ging es durchs Erdgeschoss in den Schlosshof, hinaus in das Mondlicht.
Francesca hatte die Schreie im Schloss gehört und sich gefragt, was das zu bedeuten hatte. Jetzt sah sie Benito und Beatrice über den Hof rasen wie hechelnde Schatten. Bevor ein Schuss auf sie abgegeben werden konnte, hatten sie schon den Hof überquert.
Benito sprang mit einem gewaltigen Satz über die glänzende Schaufel des Caterpillars weg und entfloh durch das Tor. Beatrice lief um den Caterpillar herum und rannte den alten Umberto um, der wie ein Kegel purzelte und seine Krücken verlor. Er wurde nicht gebissen.
Jetzt endlich schoss einer mit der Lupara – zu spät. Die groben Silberschrote trafen nur die Planierraupe und erzeugten Kratzer und kleine Beulen am Lack.
Dann waren die Wölfe fort, durch das Tor entflohen. Die geschockten Zuschauer hatten das Nachsehen. Aus dem Schloss rannten nun der Bürgermeister, die zwei Mafiosi und die anderen.
»Was war das?«, wurde gefragt.
Die Männer, die sie festhielten, hatten Francesca losgelassen.
Sie trat vor und sagte: »Das sind die zwei mörderischen Werwölfe gewesen, die bis vor zwei Jahren die Gegend terrorisierten. Mein Mann fing sie ein und sperrte sie in ein Verlies, in einen sicheren Kerker unter dem Schloss.«
»Warum in aller Welt hat er das getan?«, fragte der Bürgermeister. »Warum hat er sie nicht umgebracht wie die anderen beiden in jener Nacht vor zwei Jahren?«
»Weil der eine sein Bruder ist«, sagte Francesca. »Benito, sein älterer Halbbruder, leider. Er hat all das Unheil gebracht und Schafe gerissen, gemordet und terrorisiert. Ricardo, mein Mann, ist nicht so wie er. Er ist edel und gut. Er konnte nicht seinen eigenen Bruder töten.«
»Aber ein Werwolf ist er auch?«, fragte der Bürgermeister.
»Ihr Idiotas habt die Werwölfe frei gelassen«, sagte Professor Cascia. Er log: »Ricardo di Lampedusa ist nicht so wie sie, er hat keinen Werwolfkeim in sich. Er wollte euch nur beschützen und nur das Gute.«
»Warum ist er denn dann geflohen?«
»Würdest du das nicht tun, wenn so ein Lynchmob käme, Luigi Piola?«
»Doch. Wo steckt der Marchese jetzt?«
»Irgendwo im Wald. Mit dem Kind. Er wird euch zu gegebener Zeit Rede und Antwort stehen, wenn er das will und für richtig hält. Ihr seid hier widerrechtlich
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