Werwolfkind (German Edition)
lehrte«, grollte Ricardo mit kaum verständlicher Stimme. »Er ist rein – ich jedoch bin es nicht. Bei mir ist die Lykanthropie schon zu weit fortgeschritten. Ich werde für immer ein Werwolf sein. In den Vollmondnächten verwandle ich mich – ich kann nicht mehr zurück. Es gibt keine Rettung für mich.«
»Ricardo«, schluchzte Francesca, »ach, mein Ricardo. Wir sind so glücklich gewesen.«
»Nimmermehr. Nimmermehr. Nimm Marco, ziehe ihn groß. Ich verlasse dich.«
»Das darfst du nicht tun.«
»Ich muss es tun, Liebste. Die Lykanthropie schreitet fort. Mordlust erfüllt mich. Ich… es wird schlimm mit mir werden. Ich gehe… weit fort von hier.«
Er fasste Benito und Beatrice ins Auge.
»Aber vorher erledige ich die beiden dort. – Benito, komm her, damit ich dich zerreißen kann. Komm auch du, Beatrice, du sollst deinen Wurf nicht zur Welt bringen. Es wird keine weiteren Werwölfe von euch geben. – Kommt nur, oh, kommt. Ricardo di Lampedusa stellt sich euch zum Kampf. Jetzt werden wir die Erbfolge ein für allemal klären, Bruderherz.«
Die beiden Werwölfe, Wölfe, zögerten. Ricardo wollte sich grollend auf sie stürzen.
»Geh zu deiner Mama, Marco. – Francesca, nimm du den Jungen.«
Ricardos Haare waren nass. Er hatte lange in der Quelle gebadet – vergeblich. Als er auf seinen Halbbruder und dessen Gefährtin los wollte, stolperte Professor Cascia aus dem Wald. Er hatte sich sehr beeilt. Jetzt verkannte er die Lage.
Statt abzuwarten und dem Kampf zuzusehen, zog er seine Beretta und schoss auf Benito und Beatrice. Die kleine Beretta knallte. Die Entfernung war viel zu groß, als dass er die Werwölfe hätte gezielt treffen können. Doch als sie die Silberkugeln pfeifen hörten, wendeten sie sich um und rannten davon.
Ricardo setzte zunächst an, sie zu verfolgen. Doch dann begab er sich auf allen Vieren laufend zu Francesca und Marco. Francesca hatte ihr Kind in die Arme geschlossen. Sie überzeugte sich, dass Marco wohlauf war – er hatte kein schwarzes Härchen und keinen spitzen Zahn.
Er umarmte seine Mutter, die bei ihm kniete und ihn an sich presste.
»Ma-ma«, sagte er. Und: »Pa«, als sich sein Vater näherte.
Professor Cascia stolperte näher. Er hatte die Beretta leergeschossen. Das Geheul der flüchtenden Werwölfe verlor sich in der Ferne. Francesca stand auf. Sie schaute in die glühenden Augen des Werwolfs, der sich auf die Hinterbeine aufgerichtet hatte, sah seine Krallen und seinen schrecklichen Rachen.
Sie hatte keine Angst.
»Ich liebe dich«, sagte sie zu Ricardo. »Du bist mein Mann. Ich werde dich immer lieben. Komm zu uns ins Schloss. Bei Vollmond werden wir dich anketten und einsperren. Vielleicht gibt es doch einen Weg…«
Ricardo heulte kurz auf, zum Vollmond empor.
»Es gibt keinen«, grollte er. »Es ist zu spät für mich. Ich muss fort. Ich verlasse euch – für immer.«
»Nein, tu das nicht. Ubi tu Gaius ego Gaia.«
»Nein.« Ricardo schüttelte seinen Monsterschädel. »Ubi tu lupus, so musst du von mir sagen.« Wo ich der Wolf bin. »Du bist es nicht, kannst es nicht sein.«
Er winselte traurig.
»Ich gehe.« Er legte Marco zart die Pranke auf den Kopf. Dann fasste er Francesca mit seinen Pranken zart bei den Schultern. Marco weinte, jetzt hatte er Angst. Er spürte, dass etwas Schlimmes vorging. »Lebe wohl.«
»Beiß mich. Du sollst mich beißen. Ich will deine Werwölfin sein.«
Ricardo ließ sie los und schüttelte wieder den Kopf.
»Das ist nicht dein Ernst. Willst du, dass wir so werden wie Benito und Beatrice? Und Marco, was wird aus ihm? Nein, du bist ein Mensch, meine geliebte Frau, solange ich noch bei klarem Verstand bin, und das sollst du immer bleiben. – Lebe wohl.«
»Versprich mir, dass du dir nichts antust, Liebster«, rief Francesca ihm hinterher, als er weglief.
Ricardo hielt inne.
Noch einmal rief er grollend zurück: »Nein. Der Silberdolch, den ich mitnahm, liegt bei der Quelle. Ich werde versuchen, dem Trieb Einhalt zu gebieten. Doch ich glaube nicht, dass ich es schaffen werde. Und, wenn es gar nicht mehr geht, bevor die Lykanthropie alles in mir auslöscht, stürze ich mich in den Krater des Vesuvs oder wähle einen anderen Weg. Dann besiege ich die Lykanthropie eben auf diese Weise.«
Damit lief er fort, hinter Benito und Beatrice her, die er verfolgte. Werwolfgeheul erschallte im Wald. Francesca kniete da und umarmte weinend ihr weinendes Kind.
Sie sagte: »Dein Vater ist fortgegangen, Marco. Mein Liebster
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