Wes - Wächter der Nacht
gaben den Blick auf einen schmuddeligen Mann frei, der am tiefen Teil des Pools stand.
Wes stieß einen scharfen Fluch aus. „Der Kerl hat ein Messer.“
Richtig, der Wind ließ die chinesischen Lampions tanzen, die den Pool beleuchteten, und ihr Licht wurde von einer gefährlich wirkenden Klinge in der Hand des Mannes reflektiert.
„Jemand wurde verletzt“, sagte Brittany und zeigte mit der Hand auf einen Mann, der neben dem Pool am Boden lag und sich den Arm oder die Brust hielt. Genaueres konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen. Auf seinem weißen Hemd prangte ein großer roter Blutfleck.
„Einen Notarzt, wir brauchen einen Notarzt!“, rief Amber.
„Bleib hier!“, befahl Wes. „Geh nicht hinüber, bleib hier, bis der Kerl unter Kontrolle ist. Verstehst du?“
„Was hast du vor?“, fragte Brittany, aber er war schon weg. Er eilte um den Pool herum auf den Mann mit dem Messer zu. Natürlich. „Sei vorsichtig“, rief sie Wes nach, aber er drehte sich nicht um, hatte nur Augen für das Messer.
Oh Gott!
Ungefähr fünf Meter von dem Mann mit dem Messer entfernt, näherte Amber sich zentimeterweise dem Verletzten.
Brittany setzte sich ebenfalls Bewegung. Sie wollte den Pool von hinten umrunden. Wenn Wes den Mann mit dem Messer ablenkte, dann konnten sie und Amber den Verletzten in Sicherheit bringen und Erste Hilfe leisten. Sie hatte Operationshandschuhe in ihrer Abendtasche. Wie die meisten Angehörigen medizinischer Berufe hatte sie heutzutage immer welche bei sich, weil man nie wissen konnte, mit welchen Infektionsrisiken man konfrontiert wurde. Sie öffnete ihre Handtasche und streifte die Handschuhe über.
„Legen Sie es weg“, sagte Amber. Ihre Stimme klang laut und deutlich über das Grundstück. „Legen Sie es einfach weg, und dann können wir reden. Okay?“
„Nein“, antwortete der Mann mit dem Messer. „Nein!“
Kannte Amber den Kerl? Er trug einen Anzug, aber derwar verknittert, schmutzig und zerrissen, als hätte er mindestens eine Woche darin geschlafen. Seine Haare waren wirr, und er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Er sah aus, als hätte er sich mit billigem Fusel volllaufen lassen. Brittany, die viele Jahre in der Notaufnahme verschiedener Krankenhäuser gearbeitet hatte, sah das nicht zum ersten Mal: Scheinbar ganz durchschnittliche Männer sahen nach nur wenigen Tagen auf der Straße aus wie Obdachlose, die sonst was in sich hineinkippten oder sich mit Drogen vollpumpten.
„Steven, wie schwer bist du verletzt?“, rief Amber zu dem Mann am Boden hinüber, aber wenn er überhaupt antwortete, war es kaum ein Flüstern.
Nach den Geräuschen, die er von sich gab … „Möglicherweise hat der Stich die Lunge getroffen“, sagte Brittany. Sie wandte sich direkt an den Mann mit dem Messer. „Ich bin Krankenschwester. Der Mann ist verletzt, möglicherweise sehr schwer. Bitte lassen Sie mich ihm helfen.“
„Nein!“
Andy kämpfte sich durch die Menge und eilte zu Brittany.
„Geh nicht näher an ihn heran“, flüsterte sie ihm zu.
„Du auch nicht“, gab er leise zurück. „Was hat Wes vor?“
Wes bewegte sich immer noch langsam und ruhig, als machte er einen Spaziergang, auf den Mann zu, der ihn erst jetzt bemerkte.
„Bleiben Sie stehen!“, sagte der Mann. Er versuchte alle zugleich im Auge zu behalten: Amber, Brittany, Andy und Wes.
Wes streckte beide Hände in Hüfthöhe vor, die Handflächen nach unten. Es war ein Versuch, den Mann zu beruhigen,keine Geste der Kapitulation, zumal er immer noch weiter auf den Mann zuging. „Wenn Sie das Messer nicht weglegen, wird noch jemand verletzt, und ich fürchte, dieser Jemand werden Sie sein.“
„Wir sollten versuchen, ihn abzulenken“, wandte Brittany sich leise an Amber und Andy. „Wenn er sich auf uns konzentriert, wird es möglicherweise leichter für Wes, ihm das Messer abzunehmen.“
Amber zog ihre Bluse aus. „Hey!“
„Ähm, ja, so könnte es durchaus funktionieren“, sagte Brittany.
Es funktionierte tatsächlich. Wes war vergessen, als der Mann Ambers vollkommenen Körper anstarrte.
Brittany sah, wie Wes seine scheinbar entspannte Fassade fallen ließ. Er war bereit, loszuhechten, sowie er nur nahe genug war.
Aber ausgerechnet in diesem Moment kamen zwei der Türsteher vom Haupteingang angerannt. Einer von ihnen griff in sein Schulterholster und zog seine Pistole. „Waffe fallen lassen!“
Der Mann mit dem Messer schaute kaum zu ihnen hin. Stattdessen trat er einen Schritt näher
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