Wes - Wächter der Nacht
sie nicht sofort und auf der Stelle von ihm wissen, was um Himmels willen in ihn gefahren war, einem Jugendlichen, der gut ein Dutzend Jahre jünger war als er, mit Prügeln zu drohen. Ganz abgesehen davon, dass er dies vor den Augen ihres noch leicht zu beeindruckenden halbwüchsigen Sohnes getan hatte.
Tatsächlich sagte sie gar nichts zu dem Vorfall.
Wes nahm das als deutlichen Hinweis darauf, dass das Thema ganz sicher später zur Sprache kommen würde.
Aber auf der Fahrt zu einem Café in Santa Monica, nicht weit von dem Haus, in dem Brittany und ihr Sohn lebten, sprach sie nur über die Schwangerschaft ihrer Schwester und über gemeinsame Freunde und Bekannte.
Die Fragen, auf die er gewartet hatte, kamen erst, als sie am Tisch saßen, ihre Bestellung aufgegeben hatten und aßen.
„Du hast mich vorhin überrascht“, eröffnete Brittany das Thema. Kerzenlicht tauchte ihren Tisch in warmes Licht und ließ sie so verführerisch wirken, wie ihre jüngere Schwester niemals aussehen würde. Nicht in einer Million Jahren.
Wes hatte Melody immer für die hübschere der beiden Schwestern gehalten, und nach allgemeinen Vorstellungen war sie das auch. Brittanys Gesicht wirkte leicht kantig, ihr Kinn und ihre Nase waren ein wenig spitz. Aber im richtigen Moment aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, war sie atemberaubend schön.
Sex kommt nicht infrage, rief er sich selbst zur Räson. Ja, diese Frau war sehr attraktiv, aber er hatte kein Interesse. Schon vergessen? Er musste einfach erst einmal das emotionale Chaos in seinem Kopf ordnen, bevor er mit einer Frau ins Bett stieg, die mehr an einer echten Beziehung interessiert war als an einer oder zwei heißen Liebesnächten.
Hinzu kam, dass sie wohl kaum Interesse daran hatte, sich mit ihm auf ein sexuelles Abenteuer einzulassen. Sie wirkte ganz und gar nicht, als sei sie der Typ für so etwas. Aber selbst wenn er sich in diesem Punkt irrte, würden seine Chancen sich in Luft auflösen, wenn er ihr die Wahrheit sagte: dass er ihr nicht mehr als eine oder zwei Nächte geben konnte, weil er eine andere liebte. Nein, nicht einfach eine andere. Lana Quinn. Die Frau eines Freundes. Die Frau von US-Navy-SEAL und -Chief Petty Officer Matthew Quinn alias Mighty Quinn alias verlogener, betrügerischer, untreuer Drecksack.
Brittany Evans saß ihm gegenüber am Tisch und schaute ihn aus Augen an, wie er sie liebte. Aus warmen Augen. Intelligenten Augen. Augen, die ihm sagten, dass sie ihn mochte und respektierte – und dass sie erwartete, von ihm ebenso respektiert zu werden.
Lana schaute ihn – nein, alle SEALs – so an.
„Ja“, sagte Wes schließlich, weil Brittany offenbar auf eine Reaktion wartete. „Ich war selbst ein wenig überrascht von meiner Reaktion.“ Er lachte, aber sie lachte nicht mit.
Sie beobachtete ihn nur, nahm dabei einen Schluck Bier aus der Flasche, und er gab sich Mühe, ihr nicht auf die Lippen zu schauen oder auch nur daran zu denken. Unterm Strich mochte er sie als Menschen viel zu sehr, um mit ihr als Frau herumzumachen, so attraktiv er sie auch fand.
Wenn sie einfach nur ein Mädel wäre, das ihm in einer Bar über den Weg lief, hätte er sich an sie herangemacht, um herauszufinden, ob sie vielleicht Interesse an einer unverbindlichen heißen Nacht hatte.
Gut. Immerhin war er Manns genug, um es zuzugeben. Wenn es egal wäre, würde er sich mit Brittany Evans einlassen. Ohne jeden Zweifel. Und sich Lana aus dem Kopf schlagen – denn wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste er das sowieso. Sie war verheiratet, verboten, tabu. Er konnte sie nicht haben, also gönnte er sich Vergnügen und Trost, wo er beides finden konnte. Und ließ sein Herz aus dem Spiel.
Aber es war nicht egal. Nicht einmal ansatzweise. Brittany war Cowboys Schwägerin. Das war vermutlich noch schlimmer, als wenn sie seine Schwester gewesen wäre. Ihrem Bruder würde sie nichts von einer heißen Nacht mit einem nahezu Fremden erzählen. Na ja, vermutlich nicht. Aber ihrer Schwester vielleicht schon. Zumal, wenn die Schwestern sich sehr nahestanden. Wie das bei Brittany und Melody ganz offensichtlich der Fall war.
Und dann erfuhr mit Sicherheit auch Cowboy davon. Gut wäre das ganz und gar nicht.
Nein, nichts dergleichen würde geschehen, nicht heute Nacht, nicht später. Oberflächlich und rein körperlich betrachtet war das sehr schade. Er hätte Brittany Evans wirklich äußerst gern nackt gesehen.
„Was hat er zu dir gesagt?“, fragte sie und
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