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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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und blickte mir entgegen. Seine Züge wirkten animalisch– wild und gefährlich. Ich zuckte zurück und hob erschrocken die Hände vors Gesicht. Doch als ich sie wieder sinken ließ und das Handydisplay direkt auf ihn richtete, ärgerte ich mich selbst über meine Ängstlichkeit. Es war die Mischung aus Licht und Schatten gewesen, die ihm für einen Moment dieses dämonische Aussehen verliehen hatte. Jetzt, im direkten Schein des Displays, war davon nichts mehr zu sehen. Seine Haut wirkte bleich, die Züge ausgezehrt, mit Schatten unter den Augen, trotzdem erkannte ich das Gesicht des Jungen, dessen Astralprojektion mir an meinem ersten Abend hier erschienen war.
    » Cale.« Das Tosen des Wassers riss mir seinen Namen von den Lippen, doch der Junge in der Kiste lächelte. Eine Weile sahen wir uns nur an. Ich versuchte, jedes Detail in mich aufzunehmen. Das zerzauste blonde Haar, die grünen Augen, die vor Erleichterung und Freude von innen heraus zu leuchten schienen, die kantigen Züge… Cale sah genau so aus, wie er sich mir in seiner Projektion gezeigt hatte. Keine Klauen, keinerlei Gemeinsamkeiten mit einer Echse. Sein Äußeres hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Abbildung, die ich in Dads Buch gesehen hatte. Cale mochte ein Dämon sein, aber änderte das wirklich etwas? Ich hatte viel mit ihm gesprochen, nicht nur in den letzten beiden Wochen, sondern auch damals, als ich ein Kind gewesen war. Er war vielleicht kein Mensch, aber er war auch kein Monster.
    Ich hätte noch eine Ewigkeit so dastehen und ihn einfach nur ansehen können, aber schließlich griff Cale nach den Kanten der Box und zog sich auf die Beine. Plötzlich war er mir ganz nah, nur noch durch die Außenwand der Kiste von mir getrennt. Sein Blick fing den meinen aufs Neue ein und wieder konnte ich ihn nur staunend ansehen. Während ich mich noch fragte, ob das wirklich geschah, hob er die Hand und strich mir über die Wange.
    »D u bist hier.« Ich las die Worte mehr von seinen Lippen ab, als dass ich sie hörte, trotzdem glaubte ich seine Stimme zu vernehmen– in meinem Ohr, nicht in meinem Geist. »D u hast mich wirklich gefunden!«
    Erleichtert und lachend zog er mich an sich und schloss die Arme um mich. Ich war so überrascht, dass ich es zuließ. Seine Berührung fühlte sich warm auf meiner kalten Haut an und ließ mir einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen.
    »D u zitterst ja.« Sein Mund war so dicht an meinem Ohr, dass ich seine Worte deutlich vernahm. Ohne mich vollends freizugeben, stieg er aus der Kiste. Er taumelte leicht, sofort schlang ich meinen Arm fester um seine Taille und stützte ihn.
    »I st alles in Ordnung? Wie fühlst du dich?«
    »E twas benommen, aber ich spüre schon, wie mich die Kraft durchströmt, seit die Wände die Energie des Tores nicht mehr abblocken. In ein paar Stunden bin ich wie neu.«
    »D as ist gut.« Ich war so erleichtert, dass er es geschafft hatte– und dass er mir endlich helfen konnte. »W o sind Dad und Trick? Kann ich dir helfen?«
    Einen Moment lang sah er mich verständnislos an, dann zeichnete sich Bedauern auf seinen Zügen ab. »E s tut mir leid, Prinzessin, aber ich weiß nicht, wo die beiden sind.«
    Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. »D u hast mich angelogen?«
    »W enn ich nicht behauptet hätte, zu wissen, wo sie sind, wärst du nicht gekommen, um mich zu befreien.« Er nahm mich bei den Schultern und drehte mich zu sich herum, bis ich ihn ansehen musste. »E s ging um mein Leben, Serena.«
    Ich wich seinem Blick aus. »U nd dafür würdest du alles tun?«
    »D u nicht?«
    Ich war verletzt und enttäuscht. Während der letzten beiden Wochen war Cale immer zur Stelle gewesen, wenn ich Trost oder Zuspruch gebraucht hatte. Er war zu einem Teil meines Lebens geworden, der nicht mehr wegzudenken war. Herauszufinden, dass er ein Dämon war, hatte mich hart genug getroffen. Jetzt auch noch zu erfahren, dass er mich nur benutzt hatte, tat unendlich weh.
    »I ch werde dir helfen, so gut ich kann, in Ordnung?«
    Am liebsten hätte ich ihn zum Teufel geschickt, mir war jedoch klar, dass ich trotz allem auf seine Hilfe angewiesen war.
    »H ast du gehört? Ich werde dir helfen.«
    Ich sah auf.
    »E s tut mir wirklich leid, aber für mich ging es um Leben und Tod. Ich musste… es war verdammt knapp. Wenn ich dich nicht hierhergelockt hätte, säße ich noch immer fest.«
    »D ann wäre es zu spät gewesen«, sagte ich so leise, dass ich nicht wusste, ob er mich über

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