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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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völliger Dunkelheit. Drizzle meinte, das sei das Sicherste.
    Der Kobold hat recht.
    Dass nichts passiert war, seit wir uns hier verschanzt hatten, hätte mich eigentlich längst davon überzeugen sollen, dass Drizzle wusste, was er tat. Es noch einmal von Cale zu hören, tat dennoch gut. Trotzdem ist es kein angenehmes Gefühl, hier im Dunkeln zu sitzen. Nichts tun zu können und nicht zu wissen, was um mich herum passiert …
    Es macht einen wahnsinnig.
    Natürlich wusste Cale, was ich empfand. Immerhin machte er das, was ich seit ein paar Stunden ertrug, seit Wochen durch. Nur, dass er im Gegensatz zu mir vollkommen allein war. Ich hatte wenigstens den Kobold.
    Und ich habe dich.
    Ein Gefühl der Wärme durchflutete mich. Obwohl ich immer noch wütend sein sollte, hüllten mich seine Worte ein und trösteten mich.
    Wenn ich hier raus bin, möchte ich mir mit dir die Sterne ansehen, sagte er. Ich möchte deine Welt sehen, zusammen mit dir.
    Wir könnten ins Kino gehen und Eis essen. Shoppen auf der Oxford Street, ich würde dir den Tower zeigen. Ich begann aufzuzählen, was wir gemeinsam tun oder sehen konnten, und Cale fügte Orte hinzu, auf die er neugierig war. Obwohl ihm schon bald anzuhören war, wie sehr es ihn anstrengte, die Verbindung aufrechtzuerhalten, zog er sich nicht zurück. Seine Stimme war wie eine tröstliche Umarmung in der Dunkelheit, die mir durch die Nacht half.
    Ein Geräusch schreckte mich auf. Ich war eingenickt und es dauerte einen Moment, bis ich mich in der Finsternis zurecht fand, oder wenigstens ein Gefühl dafür bekam, wo oben und unten war.
    »H ey, genug gepennt! Es wird hell.« Es waren Drizzles Worte gewesen, die mich aus dem Schlaf geschreckt hatten. »W ir haben es überstanden!«
    Cale?
    Ja?
    Es ist Tag. Wir sind in Sicherheit. Ruh dich aus.
    Bist du sicher?
    Ganz sicher. Obwohl ich gern noch weiter mit ihm gesprochen hätte. Ich erinnerte mich daran, wie wenig Zeit ihm noch blieb, und plötzlich wollte ich ihn nicht allein lassen. Derek und ich haben einen Plan, sagte ich. Wir werden dich finden. Heute noch.
    Ich freue mich darauf, dich zu sehen.
    Dann war er fort. Wenn ich ihm bloß keine falschen Hoffnungen gemacht hatte. Falls Derek es nicht rechtzeitig schaffte, seinen Kontakt ins Jenseits zu aktivieren… In Gedanken ging ich noch einmal seinen Plan durch und plötzlich hatte ich eine Idee. »W enn der Mond verschwindet, verschwindet auch der Schatten, oder Drizzle?«
    »W ird zum Tor gesogen wie eine Socke in den Staubsauger.«
    Das war es! Ich sprang auf und um ein Haar wäre der Kobold von meinem Bein gefallen. Er schaffte es gerade noch, sich an meiner Hose festzuklammern. »B ist du übergeschnappt!?«
    Ich zupfte ihn von meinem Hosenbein und setzte ihn mir auf die Schulter. »N ein, aber ich weiß, wie ich den Geistwandler aus meinem Kopf bekommen kann.« Und aus seinem Gefängnis.

27
    Es fiel mir nicht leicht, unser Versteck zu verlassen. Schon das Licht anzuknipsen, kostete mich Überwindung, denn ich fürchtete, dass der helle Schein den Schatten auf mich aufmerksam machen würde. Geblendet blinzelte ich gegen die Helligkeit an, während ich gleichzeitig den Raum nach dem Schatten absuchte.
    »D ie Luft ist rein«, sagte Drizzle.
    Ich drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass auch der Keller verlassen war, rannte ich die Treppe nach oben. Drizzle hatte Mühe, sich auf meiner Schulter zu halten. Er klammerte sich an meinen Haaren und meinem Ohr fest, was ziemlich schmerzhaft war, trotzdem wurde ich nicht langsamer. »B ist du übergeschnappt! Willst du, dass ich mir den Hals breche?«
    Oben angekommen, schob ich vorsichtig die Tür einen Spalt breit auf und spähte in die Küche. Nichts zu sehen. Wo war der Schatten? »I st er noch im Haus, Drizzle?«
    »E rst brichst du mir fast alle Knochen und dann soll ich noch denken können?«
    »D rizzle!«
    »S chon gut, schon gut! Staubsauger. Tor. Erinnerst du dich?«
    »W enn ich ihm folge, wird er mich bemerken?«
    »E r hört nur noch den Ruf nach Hause. Alles andere würde ihn umbringen.«
    »E r ist also auf dem Weg.« Ich pflückte den Kobold von meiner Schulter, setzte ihn auf dem Küchentisch ab und stürmte nach draußen, wo gerade der Morgen dämmerte. Im Licht der aufgehenden Sonne sah der Himmel aus, als stünde er in Flammen. Ein wundervoller Anblick, für den mir im Augenblick jedoch keine Zeit blieb. Sofort ließ ich meinen Blick nach links

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