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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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dieser Seite des Tors ist es ihre Lebensenergie, zumindest, solange sie sich keinen Körper unter den Nagel gerissen haben.«
    In diesem Fall waren wir hier unten wohl tatsächlich in Sicherheit. Das änderte allerdings nichts daran, dass es eine verdammt lange Nacht werden würde. Die Dunkelheit und die Angst, dass dieses Wesen doch unter der Tür hindurch in den Raum eindringen könnte, ohne dass wir es bemerkten, vielleicht gerade in diesem Augenblick, machten mich schon jetzt ganz verrückt. »W ie kommt dieser Schatten überhaupt hierher?«
    »D ie Magie, die das Tor geschlossen hält, schwindet«, erklärte er. »S chatten haben keine Materie, deshalb sind sie die Ersten, die durchschlüpfen können, sobald der Zauber löchrig wird.«
    Ich erinnerte mich daran, wie Gus mir davon erzählt hatte, dass die Torwächter die Zauber, die das Tor verbargen und geschlossen hielten, regelmäßig erneuern mussten. »H eißt das, es werden auch andere kommen? Dämonen?«
    »W enn der Zauber weiter nachlässt, schon.«
    Eine Weile saßen wir schweigend da, während ich versuchte, seine Worte zu verdauen. Wenn ich Dad nicht fand und er seine Zauber nicht erneuerte, würden die Wesen der Nacht in unsere Welt einfallen und wer weiß welchen Schaden anrichten.
    Die Zeit verstrich so träge wie ein heißer Sommertag. Immer wieder bildete ich mir ein, Geräusche zu hören, wenn ich mich jedoch darauf konzentrierte, blieb alles still. Der Schatten war nicht körperlich und der einzige Laut, den ich bisher vernommen hatte, war das windähnliche Rauschen, als er zu Nebel geworden war.
    »E rzähl mir mehr über diese Schatten«, bat ich leise.
    »S olange noch Magie im Tor ist, können sie sich nicht weit davon entfernen. Zumindest nicht, bis sie einen Körper gefunden haben. Jetzt, wo der Mond fast voll ist, sind sie besonders stark. Sie brauchen das Mondlicht, um übertreten und sich hier bewegen zu können. Ist es weg, werden sie– wusch! – ins Jenseits zurückgesogen.«
    Die letzten beiden Nächte hatte es geregnet und der Mond war hinter dichten Wolken verborgen gewesen, was wohl der Grund dafür war, dass nicht schon längst ein Schatten auf der Matte gestanden hatte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich dem Schatten begegnet wäre, bevor Drizzle aufgetaucht war. »U nd wenn das Tor… fällt?«
    »I st bei den Schatten egal. Wenn sie hierbleiben wollen, brauchen sie einen menschlichen Wirt. Das, was ihr Seele nennt, stirbt dabei– und wenn der Schatten den Körper wieder verlässt, bleibt eine leblose Hülle zurück.«
    »A ber warum machen sie das?«
    »W eil sie sonst nur begrenzt in dieser Welt überdauern können und an das Mondlicht gebunden sind. Wenn sie einen Menschen bewohnen, sind sie unabhängig.«
    »U nd was wollen sie hier?«
    Drizzles Schnauben machte deutlich, was er von meiner Frage hielt. Einmal mehr schien er der Meinung zu sein, dass das wohl offensichtlich war. »S ie lieben das Gefühl, lebendig zu sein. Stofflich. Das kennen sie drüben nicht und es ist für sie wie eine Sucht. Ein menschlicher Körper zieht sie an wie eine Motte das Licht.«
    Wieder verging einige Zeit, in der wir schweigend dasaßen. Von Zeit zu Zeit bewegte sich Drizzle auf meinem Knie und zeigte mir damit, dass er noch da war. Von der Sommerhitze war hier unten nichts zu spüren, und je länger ich hier war, desto mehr kroch mir die feuchte Kälte unter die Haut. Fröstelnd schlang ich die Arme um meinen Oberkörper. Ich vermutete, dass wir inzwischen drei oder vier Stunden hier unten saßen, und immer mehr zehrten die Finsternis und die Ungewissheit an meinen Nerven. Nichts zu sehen, war schlimm. In Kombination mit Geräuschen, die ich nicht zuordnen konnte, war es grauenvoll. Zu wissen, dass der Schatten sich lautlos bewegte, machte es nicht leichter. Hatte Drizzle auch wirklich recht mit seiner Erklärung? Was, wenn er in diesem Moment vor mir stand? Den Arm ausgestreckt, im Begriff, nach mir zu greifen?
    Als meine Angst übermächtig zu werden drohte, vernahm ich plötzlich eine vertraute Stimme in meinem Geist. Prinzessin? Was ist passiert? Ist der Kerl wieder aufgetaucht, der dich verfolgt hat?
    Obwohl Cale nicht hier war, tat es gut, ihn zu hören. Ein Schatten ist im Haus.
    Du musst sofort dort weg!
    Das geht nicht, wir sitzen fest.
    Wir?
    Drizzle und ich. Ich ließ ihn an meinen Erinnerungen daran teilhaben, wie ich den Kobold eingefangen hatte und glaubte ein gedämpftes Lachen zu hören. Wir sitzen hier in

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