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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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stehen und starrten mich an, andere runzelten die Stirn oder steckten kichernd die Köpfe zusammen. Einer zeigte mir gleich einen Vogel. Am liebsten wäre ich vor Scham unter dem Tisch versunken.
    Ein gedämpftes Lachen erklang in meinem Geist, amüsiert und irgendwie auch erleichtert. Du musst mir nicht laut antworten. Deine Gedanken genügen.
    Verschwinde, dachte ich mit aller Inbrunst, die ich aufbringen konnte. Hau ab und lass mich in Ruhe, du verdammte Wahnvorstellung!

8
    Ich warf meine Tasche vor der Wand auf den Boden und sah mich um. Die Sporthalle war alt und klein, zu klein für die meisten Ballspiele, und bereits reichlich heruntergekommen. Überall waren Risse im Bodenbelag und von den Wänden bröckelte der Putz. An einer Stelle entdeckte ich einen Spalt im Flachdach, durch den sich ein dünner Moosteppich schob. Es war heiß und stickig und roch nach abgestandener Luft und alten Turnschuhen. Zum Glück hatte ich meine Sportsachen bereits in der Schule angezogen, denn hier gab es nicht einmal eine Umkleidekabine. Von Duschen und Toiletten ganz zu schweigen. Wenn ich mir allerdings die Halle ansah, war das Fehlen jeglicher Nasszellen vermutlich ein Segen. Wer weiß, welche Flora und Fauna sich dort gefunden hätte.
    Mr Miller war noch nicht da. Um das festzustellen, genügte ein kurzer Blick durch die Halle, denn abgesehen von der Tür, durch die ich gekommen war, gab es hier nichts. Kein Gerätelager, keinen Ballschrank und keine weiteren Ausgänge.
    Zum ersten Mal fragte ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war, mich mit einem Mann, den ich kaum kannte, an einem derart abgelegenen Ort zu treffen. Aber wenn Mr Miller mir etwas hätte antun wollen, hätte er eine prima Gelegenheit gehabt, nachdem sein Hund meine Möchtegernentführer in die Flucht geschlagen hatte. Gefesselt und mit dem Sack über dem Kopf war ich ihm ausgeliefert gewesen. Nein, er würde mir nichts tun, davon war ich überzeugt.
    Seufzend rubbelte ich mit der Sohle meines Turnschuhs über eine Blase im Bodenbelag. Nach der Schule sollte ich herkommen, hatte Mr Miller gesagt. Ich konnte nur hoffen, dass er wusste, um wie viel Uhr ich normalerweise Schluss hatte, und dass ich hier nicht ewig auf ihn warten musste.
    Zu seiner Entschuldigung musste ich einräumen, dass ich früher dran war als gewöhnlich, da ich sofort nach der letzten Stunde aus dem Schulgebäude gestürmt war. Mein Ausbruch in der Cafeteria war mir höllisch peinlich und mindestens ebenso unangenehm wie das Getuschel einiger Mitschüler, das mich seitdem verfolgte. Von da an wollte ich einfach nur weg. Das Schlimmste war Peppers Blick gewesen– eine Mischung aus Sorge und Verunsicherung, die ich von früher kannte. Meine Eltern hatten mich so angesehen, nachdem man mich in die Psychiatrie eingeliefert hatte. Um diesem Blick zu entkommen, hatte ich zu lachen begonnen, kaum dass mein Ausbruch vorüber war.
    »E ntschuldige, Peps.« Niemals zuvor war es mir so schwergefallen, zu lachen. Und nie zuvor war es so wichtig für mich gewesen, unbeschwert zu klingen. »I ch musste einfach mal Dampf ablassen.«
    »U nd deswegen brüllst du irgendwelches Zeug in die Gegend?«
    »I ch hätte auch einfach einen lauten Schrei loslassen können. Das wäre wohl auch nicht viel besser rübergekommen.« Ich zuckte die Schultern. »E s war das Erstbeste, was mir eingefallen ist.«
    Sie griff nach meiner Hand. »U nd du hast genau das ausgedrückt, was du sagen wolltest. Nämlich, dass diese ganzen Fragen und Gedanken aus deinem Kopf verschwinden sollen.«
    Nur, dass es nicht meine Gedanken gewesen waren, die ich vertreiben wollte. Aber das musste Pepper nicht wissen. Nicht jetzt. Alles was zählte, war, dass sie meine Ausrede geschluckt hatte und die Verunsicherung aus ihren Zügen gewichen war. Allen weiteren Fragen hatte das Läuten der Schulglocke ein Ende gesetzt und bis zum nächsten Stundenwechsel schien sie meinen Ausbruch bereits vergessen zu haben. Als ich nach dem Unterricht meine Tasche packte, sagte sie nur: »R uf mich an, wenn du fertig bist, dann treffen wir uns irgendwo und du erzählst mir, ob in dir ein kleiner Karate Kid steckt.«
    »V ergiss nicht, dass du mein Alibi bist. Falls Mom fragt, waren wir in der Bibliothek.«
    »I ch hab’s kapiert.«
    Jetzt stand ich in dieser heruntergekommenen Halle und fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis ich lernte, mich halbwegs zu verteidigen. Die Hitze in der Halle trieb mir den Schweiß auf die Stirn, ohne dass ich

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