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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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mich überhaupt bewegte. Ich hielt nach einem Hebel Ausschau, mit dem sich die schmalen Fenster unmittelbar unter der Decke öffnen ließen. Da war nichts. Kein Wunder, dass niemand mehr diese Halle nutzen wollte– im Sommer stickig und brüllend heiß und im Winter vermutlich ein Eiskeller.
    Ich ging vor meiner Tasche in die Hocke und suchte nach meiner Wasserflasche. Das Wasser tat gut, aber wenn ich länger hierblieb, würde eine Flasche nicht reichen. Nächstes Mal, nahm ich mir vor, würde ich eine zweite mitbringen. Ich schraubte den Deckel wieder drauf, als hinter mir knarrend die Tür aufging. Ein Luftzug fuhr herein und strich über meinen Nacken. Erleichtert, dass es endlich losgehen konnte, stellte ich die Flasche ab. Plötzlich hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Meine Nackenhaare sträubten sich und alles in mir rief »G efahr!«.
    Ich stand immer noch mit dem Rücken zur Tür, und auch ohne mich umzudrehen, wusste ich in diesem Augenblick in aller Klarheit, dass die Ursache für meine aufkommende Panik hinter mir zu finden war.
    Plötzlich erbebte der Boden unter galoppierenden Schritten.
    Ein tiefes Grollen erfüllte die Luft.
    Ich fuhr herum.
    Und erstarrte.
    Anstelle von Mr Miller sah ich einen riesigen dunkelbraunen Bär auf mich zustürmen. Plötzlich geschah alles wie in Zeitlupe, ich sah sogar die Narben, die die Haut des Untiers an unzähligen Stellen überzogen. Stellen, an denen kein Fell mehr wuchs. Es waren jedoch die Augen des Tiers, die meine Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Mit jedem Schritt, den das Vieh näher kam, konnte ich sie ein wenig besser erkennen. Sie waren nicht braun, wie ich es erwartet hätte, sondern von einem hellen Blau. Wie die von…
    Verdammt, das Biest war keine drei Meter mehr von mir entfernt! Noch zwei Sätze und es hatte mich! Ich sprang zur Seite, einen Atemzug, bevor die gewaltigen Tatzen an der Stelle auf den Boden prallten, wo ich gerade noch gestanden hatte. Der Bär folgte meiner Bewegung. Brüllend richtete er sich vor mir auf die Hinterbeine auf und holte mit seiner gewaltigen Pranke zum Schlag aus.
    Ich war einer Entführung entgangen– ich würde jetzt nicht als Bärenfutter enden!
    Im letzten Moment ließ ich mich fallen. Die Tatze zischte über meinen Kopf hinweg und ich hätte schwören können, dass sie meine Haare noch streifte. Ich landete auf der Seite, rollte mich ab und sprang wieder auf die Beine.
    Nichts wie weg!
    Doch das Vieh war schneller. Bevor ich einen Haken an ihm vorbei in Richtung Tür schlagen konnte, rannte es mich über den Haufen. Ich schlug hart auf dem Boden auf. Der Aufprall presste mir die Luft aus den Lungen und ließ mich um Atem ringen.
    Dann war das Monster über mir.
    Brüllend riss es den Rachen auf und gewährte mir einen Blick auf vor Geifer triefende Fangzähne. Es hätte nach Fleisch und Verwesung stinken müssen, stattdessen stieg mir der herbe Geruch von Aftershave in die Nase.
    Das Brüllen wurde zu einem Grollen, als sich die Schnauze langsam zurückschob. Das Fell lichtete sich, offenbarte mehr und mehr den Blick auf wettergegerbte, faltige Haut, während sich die Knochen in seinem Gesicht– an seinem ganzen Körper!– verschoben. Knirschend und knackend verwandelte sich der Bär über mir in einen Menschen.
    Aus dem anfänglichen Grollen formten sich Worte und schließlich verständliche Sätze. »D u bist nicht stark«, sagte das Monster, das jetzt Mr Millers Gesicht hatte und T-Shirt und Trainingshose trug, und erhob sich. »A ber du bist schnell. Damit können wir arbeiten.«
    Ich robbte auf dem Hintern von ihm weg. Meine Flucht endete jedoch ziemlich schnell, als ich mit dem Rücken gegen die Hallenwand stieß.
    Mr Miller hob die Hände, als wolle er mir zeigen, dass er unbewaffnet war. Ich wusste es jedoch besser. Ich hatte die Waffen gesehen, die dieser Mann… dieses Tier… trug. Er griff nach meiner Wasserflasche und warf sie mir zu. »T rink einen Schluck, das hilft gegen den Schock.« Seine Stimme klang noch rauer, als ich sie in Erinnerung hatte. Irgendwie gefährlicher. »D ann lass uns reden.«
    Ich trank nicht. Vermutlich wäre mir das Wasser nur wieder hochgekommen, so tief saß mir der Schreck noch in den Knochen. Wenn er es nicht wollte, würde ich nicht an ihm vorbeikommen, also blieb ich an Ort und Stelle sitzen, die Finger so fest um die Flasche geklammert, dass das Plastik knackte. Je mehr Zeit verstrich, desto surrealer erschien mir, was ich gesehen hatte. Zu sehen geglaubt

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