Wesen der Nacht
wenig am Rand standen. Wären wir zusammen gewesen, hätten wir vermutlich eine Menge Spaß in Edinburgh haben können.
»I ch würde mir lieber deinen Jäger ansehen.« Hastig schob sie hinterher: »U nd dir bei der Suche nach Trick und deinem Dad helfen.«
»D u warst mir schon eine große Hilfe. Immerhin hast du dafür gesorgt, dass ich überhaupt herkommen konnte. Ohne deine Idee mit dem Attest…«
»S chmeichle mir ruhig noch ein wenig mehr, ich kann das gerade gut brauchen.« Sie seufzte. »I ch muss Schluss machen, bevor sie jemanden auf die Suche nach mir schicken. Bei meinem Glück ist das dann kein sexy Jäger, sondern der alte Sack in seinem Plaid.«
Dieses Mal konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen.
»V ersprich mir, dass du mich auf dem Laufenden hältst«, beschwor sie mich. »U nd wenn du mich brauchst… ich kann in ein paar Stunden bei dir sein.«
»D anke. Ich werde es nicht vergessen.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, starrte ich eine Weile auf das Telefon und wünschte mir, Pepper wäre tatsächlich hier. Aber abgesehen davon, dass sie in Jenseitsdingen noch weniger Erfahrung hatte als ich, würde sie nur Ärger bekommen, wenn sie aus Edinburgh abhaute.
Es war an der Zeit, mich bei Mom zu melden. Da mein Handy keinen großartigen Empfang hatte, sie die Nummer von Dads Festnetztelefon sofort erkennen würde und ich nicht wusste, wie man an diesem Apparat die Rufnummer unterdrückte, entschied ich mich dafür, ihr eine E-Mail zu schreiben. Ich erzählte Teile von dem, was ich eben von Pepper gehört hatte, und behauptete, von einem der Computer in der Jugendherberge zu schreiben, weil mein Handy-Akku nicht aufgeladen war. Sobald ich die Mail abgeschickt hatte, ging ich in die Küche, um etwas zu trinken. In der Speisekammer fand ich eine einsame Flasche Cola. So wie es aussah, musste ich morgen dringend einkaufen gehen, denn abgesehen von schimmligem Brot, einer weiteren Dose Ravioli und ein paar Sachen im Kühlschrank, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatten, war nichts mehr im Haus.
Nachdem ich etwas getrunken hatte, nahm ich mir Stift und Papier und kehrte in die Speisekammer zurück. Im Licht der staubigen Deckenlampe inspizierte ich den Inhalt des hohen Regals.
Wenn es etwas im Überfluss gab, dann Kartoffelchips und Kekse. Männer! Mit der Schulter an die Wand gelehnt, kritzelte ich meine Einkaufsliste. Butter, Brot, Wurst, Käse, Obst, Getränke… Ich beugte mich nach unten, um einen Blick auf die tiefer liegenden Regalbretter zu werfen, deren Inhalt im Halbdunkel verborgen lag. Dabei streifte ich mit dem Arm über die Wand und blieb an einem Nagel hängen.
»A u!« Fluchend fuhr ich hoch, hätte mir dabei beinahe noch den Kopf an einem Regalboden gestoßen, und hielt nach dem Übeltäter Ausschau. Im ersten Moment entdeckte ich nichts. Zumindest keinen Nagel. Ich ließ meine Hand neben dem Lichtschalter über die Wand wandern, bis meine Finger an einer kleinen Kante hängen blieben. Was ich zuvor für einen Nagel gehalten hatte, war ein loser Stein, der ein Stück aus dem Mauerwerk ragte und an dessen scharfer Kante ich hängen geblieben war. Ich drückte dagegen, doch obwohl der Stein sich bewegte, ließ er sich nicht in die Mauer einfügen. Die Fuge rundherum war nicht mit Mörtel verschmiert. Sie war glatt und leer. Neugierig geworden, packte ich den Stein und zog ihn heraus. In dem entstandenen Hohlraum schimmerte etwas Metallisches. Ein Schlüssel. Ich nahm ihn heraus und schob den Stein wieder an seinen Platz. Dieses Mal fügte er sich vollständig ein.
Ich nahm den Schlüssel mit in die Küche, um ihn mir genauer anzusehen. Er schien alt zu sein, der Griff war in Form einer verschlungenen Ranke geschmiedet und das Messing angelaufen. Unwillkürlich wanderte mein Blick zur Kellertür, doch die hatte nur einen Riegel und den Drehknauf, kein Schloss. Die Schlüssel zu den Zimmertüren sahen anders aus. Abgesehen davon fiel mir kein Grund ein, warum ein Zimmerschlüssel in einem Geheimfach versteckt werden sollte.
Nur, wohin gehörte er dann?
Ich hatte weder in Tricks Zimmer noch in Dads Arbeitszimmer etwas gesehen, wo er passen könnte. Es gab nur einen Ort, an dem ich mich überhaupt noch nicht umgesehen hatte: den Keller.
Voller Unbehagen betrachtete ich die Kellertür. Ich hasste Keller. Vielleicht hatte ich zu viele Horrorfilme gesehen, vielleicht hatte ich auch einfach ein Problem mit Dunkelheit. Was auch immer der Grund sein mochte, es kostete mich einiges
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