Wesen der Nacht
die flackernde Flamme in meiner Hand reichte nicht aus, um viel von dem dunklen Raum erkennen zu lassen. Ein letzter Schritt, dann lag die Treppe hinter mir. Der Steinboden knirschte unter meinen Schuhsohlen. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass an der Wand gegenüber ein großes Regal stand, hätte ich es nicht sehen können. Ich drehte die Flamme des Feuerzeugs größer und trat näher an das Regal heran. Anstelle von Moms Einmachgläsern stapelten sich Konservendosen und Getränke darin. Einige Dinge konnte ich also wieder von meiner Einkaufsliste streichen, und falls ich eine Party feiern wollte, Bier war genug da. Selbst ein paar Flaschen Whisky glaubte ich am Rande des Lichtkreises auszumachen.
Langsam tastete ich mich weiter voran, vorbei an Dads alter Werkbank. Ein Funkeln weckte meine Aufmerksamkeit. Auf der Werkbank lag ein silbernes Kästchen, etwa so groß wie ein Schuhkarton. Neugierig machte ich einen Schritt darauf zu, bevor ich innehielt. Erst die Glühbirne! Ich drehte mich herum und stolperte über einen Eimer, der halb im Weg stand. Vor Schreck ließ ich das Feuerzeug fallen. Die Flamme erlosch und der Keller versank in Dunkelheit. Lediglich die Tür oben an der Treppe hob sich als helles Rechteck von der Schwärze ab.
Ich ging in die Hocke und tastete hektisch nach dem Feuerzeug. Mein Herz raste und das Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass es mir unmöglich gewesen wäre, einen Angreifer zu hören.
»V erflucht, hier ist niemand!«
Panisch und viel zu laut hallte meine eigene Stimme von den Wänden wider. Endlich fanden meine Finger das Feuerzeug. Hastig griff ich zu und ließ die kleine Flamme aufleuchten.
Ist alles in Ordnung, Prinzessin?
Erschrocken fuhr ich zurück und stieß gegen die Werkbank. Das silberne Kästchen kippte um und der Deckel fiel zur Seite.Von irgendwoher glaubte ich ein gedämpftes Kichern zu hören.
Cale. Ich bin gerade … hier ist es dunkel und irgendwie unheimlich. Aber sonst ist alles bestens.
Abgesehen davon, dass ich am liebsten sofort wieder nach oben gelaufen wäre. Aber irgendwann musste ich mich um die Glühbirne kümmern, und ich verspürte keine Sehnsucht, noch einmal im Dunkeln die Kellertreppe hinunterzusteigen. Es sei denn, ich holte mir ein paar Batterien für die Taschenlampe. Oder ich bat Derek, es für mich zu tun. Letzteres erschien mir eine ausgesprochen verlockende Alternative.
Serena?
Etwas an der Art, wie er meinen Namen sagte, alarmierte mich. Ja?
Wer ist bei dir?
Niemand.
Ich spüre, dass du nicht allein bist.
Oh, Scheiße.
Der Elektroschocker war immer noch in meiner Reisetasche.
Ein Luftzug fuhr über mich hinweg und dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Oben fiel krachend die Tür ins Schloss und das Feuerzeug erlosch. Ich stieß einen Schrei aus.
Serena?!
Ich muss hier raus!
Etwas streifte meine Schulter.
Ich schrie noch einmal.
Cale sprach mit mir, doch der Sinn seiner Worte schaffte es nicht, die Panik zu durchdringen, die sich in mir ausbreitete. Stolpernd lief ich auf die Treppe zu, während ich immer wieder versuchte, dem Feuerzeug eine Flamme zu entlocken.
Andererseits wollte ich vielleicht gar nicht sehen, was sich hier unten befand.
Meine Hand zitterte so sehr, dass ich das Feuerzeug fallen ließ. Dieses Mal machte ich mir nicht die Mühe, danach zu suchen. Die Hände nach vorne gereckt, tastete ich mich voran, bis meine Finger gegen das hölzerne Treppengeländer stießen. So schnell, wie ich es in der Dunkelheit wagte, rannte ich die Stufen hinauf. Einmal trat ich daneben, fing mich jedoch schnell wieder und lief weiter. Oben angekommen, tastete ich nach der Tür. Ich war sicher, dass jemand von außen den Riegel vorgelegt hatte. Doch als meine Hand gegen das Holz drückte, flog sie auf. Ich sprang in die Küche, warf die Tür hinter mir zu und schob den Riegel vor.
Mit dem Rücken an das Holz gelehnt, kämpfte ich darum, wieder zu Atem zu kommen und meinen rasenden Puls zu beruhigen. Ein weiteres Geräusch von unten– es klang, als hätte jemand eine Dose Schrauben heruntergeworfen–, brachte mich auf die Idee, die Kommode vor die Tür zu schieben. Sie war schwer und setzte sich nur ruckend in Bewegung. Sobald sie vor der Tür stand und ich den Riegel noch einmal kontrolliert hatte, fühlte ich mich besser.
Vermutlich war es nur eine Maus gewesen, die eine der Dosen umgeworfen oder etwas in den Regalen verschoben hatte. Eine Maus, die die Tür zugeworfen hatte?
Zugluft. Nichts weiter als simple
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