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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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an Überwindung, überhaupt zur Tür zu gehen. Der Riegel glitt lautlos zurück. Bevor die Tür von selbst aufschwingen konnte, was ich unheimlich gefunden hätte, packte ich den Griff und zog sie auf. Der Geruch von feuchtem Stein und Moder schlug mir entgegen. Ich tastete nach dem Lichtschalter und legte ihn um. Nichts geschah. Schon früher hatte sich die Glühbirne ständig in ihrer Fassung gelockert und musste immer wieder festgeschraubt werden. Aber das hatte Dad übernommen. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich die Holztreppe hinunter. Viel konnte ich nicht erkennen, denn das aus der Küche eindringende Licht reichte kaum weiter als die ersten drei Stufen. Ich starrte in die Dunkelheit dahinter und kämpfte gegen das ungute Gefühl an, das mir etwas daraus entgegenkroch.
    Vor zwei Wochen noch hätte ich mir vermutlich einfach eine Taschenlampe geschnappt, wäre nach unten marschiert und hätte mich umgesehen. Das war gewesen, bevor ich von der Existenz von Dämonen und anderen Monstern erfahren hatte. Wer konnte schon wissen, was sich da unten in den Schatten verbarg?
    Die Erkundung des Kellers würde bis morgen warten müssen, wenn es draußen wieder hell war. Meine Güte, das war lächerlich! Der Keller hatte keine Fenster, und der Dunkelheit dort unten war es vermutlich ziemlich egal, ob draußen nun Tag, Nacht, oder wolkige Dämmerung herrschte. Dasselbe galt wohl für Monster.
    »D a unten gibt es keine Monster.« Mom hatte mich unzählige Male in diesen Keller geschickt, um eines der Gläser mit eingemachtem Obst oder Gemüse oder ein paar Kartoffeln zu holen. Der Keller war kalt, feucht und dunkel, doch abgesehen von den Dingen, die wir selbst hinunterverfrachtet hatten, gab es dort nichts. Schon gar nichts, das einem Angst einjagen sollte– zumindest nicht, solange man kein Problem mit Spinnen und Kellerasseln hatte.
    Aber ich war zehn Jahre fort gewesen. Wer konnte schon wissen, was während meiner Abwesenheit da unten eingezogen war. So lächerlich es auch sein mochte, ich würde mich wohler fühlen, wenn es draußen hell war, solange ich den Keller erkundete.
    Ich war im Begriff, die Tür wieder zu schließen, als ich von unten ein Geräusch vernahm. Ein leises Raunen, als versuchte jemand mit letzter Kraft Worte zu formen.
    Ein Bild von Dad und Trick, die im Dunkeln die Stufen hinabgestürzt und jetzt mit gebrochenen Gliedern am Fuß der Treppe lagen, erschien vor meinem inneren Auge. Alle Versuche, mich davon zu überzeugen, dass es nur der Wind im Kamin und keine Stimme gewesen war, scheiterten. Mein Verstand sagte mir, wie unwahrscheinlich es war, dass Dad und Trick zur selben Zeit dieselbe Treppe heruntergefallen waren, doch wenn es Männer gab, die sich in Bären und Hunde verwandelten, schien nichts unwahrscheinlich. Womöglich hatte jemand– oder etwas– die beiden absichtlich gestoßen…
    Wieder vernahm ich das Raunen, und dieses Mal glaubte ich, eines der Worte zu verstehen. War das mein Name? Hatte ich wirklich meinen Namen gehört?
    Mit klopfendem Herzen zog ich die Tür ganz auf und trat über die Schwelle. Ein Luftzug fuhr in meine Haare und ließ mich zusammenzucken, trotzdem machte ich einen weiteren Schritt nach vorn.
    »D ad? Trick?«
    Keine Antwort. Nicht einmal eine eingebildete.
    Ich musste wissen, was dort unten war, ganz gleich wie viel Angst ich hatte. Entschlossen lief ich in die Speisekammer zurück, schnappte mir die Taschenlampe vom Regal und knipste sie an. Der erwartete Lichtstrahl blieb aus. Ich schraubte den Deckel vom Batteriefach und musste feststellen, dass es leer war. Auf der Suche nach passenden Batterien durchforstete ich die Speisekammer und ging schließlich zu den Küchenschränken und Schubladen über. In der Kommode neben der Kellertür fand ich ein Feuerzeug. Besser als gar nichts. Immerhin wollte ich mich nur davon überzeugen, dass Dad und Trick nicht verletzt da unten lagen.
    Zögernd setzte ich einen Fuß auf die Kellertreppe. Das Holz knarrte unter meinem Gewicht, als ich den ersten Schritt nach unten machte.
    Dann noch einen.
    Und noch einen.
    Schon bald wurde es so finster, dass ich das Feuerzeug zu Hilfe nehmen musste. Das Licht flackerte und warf lange, zuckende Schatten an die Wand. Vorsichtig ging ich weiter. Kurz bevor ich das Ende der Treppe erreichte, blieb ich stehen.
    »D ad?«
    Keine Antwort.
    Ich nahm eine weitere Stufe.
    »T rick?«
    Wieder nichts.
    Ich beugte mich nach vorne, um einen Blick in den Kellerraum zu erhaschen, doch

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