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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hatten wie die Kletten aneinandergeklebt, weshalb ich mir gut vorstellen konnte, dass ihm mein Bruder gefehlt hatte. Aber ich? »I ch war euch doch immer nur ein Klotz am Bein. Das lästige kleine Ding, auf das ihr aufpassen musstet, wenn ihr es nicht rechtzeitig loswerden konntet.«
    »D u warst schon damals ziemlich süß.«
    Schon damals? Ich spürte, wie ich rot wurde. Der griechische Gott fand mich süß? Heute noch, trotz meines dunklen Augen-Make-ups? Wow.
    »T rick hat mir erzählt, dass eure Mutter mit euch abgehauen ist, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat. Die ständige Angst vor dem Jenseits.« Mit bitterer Miene fügte er hinzu: »U nd weißt du was? Sie hatte recht. Wenn meine Mom damals auch gegangen wäre, würde sie heute noch leben.«
    Darauf gab es nichts zu erwidern. Ich war froh, dass Trick meine Krankheit und den Ausflug in die Anstalt für sich behalten hatte. Auf diese Weise sah Derek zumindest keinen durchgeknallten Freak in mir.
    »N ach dem, was deiner Tante passiert ist, war es sowieso schon lange abzusehen.«
    »D u weißt über meine Tante Bescheid?«
    »N ur das, was mein Dad erzählt hat. Sie haben damals einen Suchtrupp losgeschickt. Ein halbes Dutzend Männer haben im Jenseits nach ihr gesucht und nicht alle sind lebend zurückgekommen.«
    Dieser Teil der Geschichte war neu für mich, aber das galt wohl für das meiste, was mit dem Jenseits zu tun hatte.
    Wir waren mit dem Essen fertig und Derek nahm die Teller und stellte sie in die Spüle. Ich dachte, er würde sich umdrehen und zum Tisch zurückkommen, stattdessen ließ er Wasser ein und machte sich daran, abzuwaschen. Ich schnappte mir ein Handtuch und binnen einer Viertelstunde stand das ganze schmutzige Geschirr wieder sauber im Schrank. Nur unsere Gläser hatten wir behalten.
    Eine Weile saßen wir noch zusammen und tauschten uns über die vergangenen Jahre aus. Derek erzählte mir davon, wie er sich durch die Schule gequält hatte, wohl wissend, dass er für den Job, der auf ihn wartete, keinen Abschluss brauchen würde, und wie er neben der Schule von seinem Vater ausgebildet worden war. »S chusswaffen, Messer, Armbrust, Karate, Judo… alles, was du dir nur vorstellen kannst. Ich bin eine Art männliche Buffy.«
    »N ur, dass es in deiner Generation hoffentlich mehr als nur einen Jäger gibt.«
    Im Vergleich zu Dereks Kindheit und Jugend hatte ich bisher ein fast normales Leben gehabt. Ein paar Hobbys, Freunde… Fast. Bis auf die Psychiatrie in Inverness. Aber darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken.
    »U nd deine Freundin heißt wirklich Pepper?«, hakte er ungläubig nach. »U nd sie steht auf diese Vampirschmachtfetzen?«
    »Z weimal: Ja.«
    »S tadtmenschen«, sagte er kopfschüttelnd und wirkte dabei so erschüttert, dass ich lachen musste.
    Als wir das Gefühl hatten, die Lücken aus den letzten zehn Jahre einigermaßen gefüllt zu haben, und Derek dafür gesorgt hatte, dass ich seine Handy- und Festnetznummer in meinem Mobiltelefon gespeichert hatte, stand er auf. »D er Regen hat aufgehört, ich fahre jetzt besser nach Hause. Ich werde mich morgen früh mal umhören, ob jemand was von deinem Dad oder von Trick gehört hat. Mach dir nicht zu viele Sorgen«, sagte er, als ich ihn zur Tür begleitete. »V ermutlich gibt es eine simple Erklärung für alles.« Regenwasser tropfte vom Dach in den Windfang, als er die Tür öffnete, und ein kühler Luftzug ließ mich frösteln. »K ommst du zurecht?«
    Am liebsten hätte ich Nein gesagt. Ich hatte einen Verbündeten gefunden und wollte nicht, dass er ging. Ich wollte nicht allein in diesem Haus bleiben, das mir längst nicht mehr vertraut war. Und ich hatte noch nie so lange mit Derek geredet, mich ihm noch nie so nahe gefühlt. Trotzdem wollte ich auch nicht, dass er blieb. Ich musste mit Cale sprechen.

20
    Ich hätte mich gerne noch draußen umgesehen, doch als Derek zu seinem Wagen ging, einem verbeulten roten Toyota, begann es wieder kräftig zu regnen, sodass ich mich darauf beschränkte, im Windfang zu stehen und zuzusehen, wie er den Wagen wendete und davonfuhr.
    Obwohl es bis zum Sonnenuntergang noch eine Weile hin war, hatte sich der Himmel so zugezogen, dass es schon beinahe dunkel war. Typisches Wetter für die Gegend, das ich eigentlich aus meiner Kindheit gewohnt war, aber heute hatte ich keine Energie mehr, mich noch vor die Tür zu wagen.
    Als Derek außer Sicht war, schloss ich die Tür und legte den Riegel vor.
    Wahrscheinlich war ich der einzige

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